Steine, die ins Rollen kommen

So. Da sitze ich nun im Wartezimmer und mache vermutlich genau das, was die meisten dort tun. Warten und mich fragen wie es passieren konnte, dass ich hier gelandet bin.

Auf die Frage hin, wie oft ich Alkohol trinke, „täglich – häufig – selten“, antwortete ich „Haben sie auch ganz selten im Angebot?“. Meine letzte Zigarette habe ich am 14.12.2010 geraucht, als ich mich dazu entschieden habe, mich an meinen Vorsatz zu halten, das Rauchen aufzugeben, wenn ich schwanger bin. Ich gebe zu, auf den Schock des Schwangerschaftstests hin habe ich erstmal eine geraucht, aber wenn man sich einschränkt und erst mal merkt, wie oft man zu dem Teufelszeug unbewusst greift, wird es einem schon anders. Außerdem war die ständige Übelkeit ein willkommener Helfer. Und auch die Müdigkeit war bei der Suchtbewältigung eine große Hilfe. Nach der Schwangerschaft mit dem Essen aufzuhören stellte sich als um einiges schwieriger raus. 

Auch im direkten Umfeld meiner Familie gab es nur vor einigen Jahren einen gutartigen Tumor bei meinem Vater. Warum verdammt nochmal nistet sich also so ein unwillkommenes Alien in meiner Brust ein?

Nach langem Hin und Her kam an Ostern mein Freund mit seiner Tochter zu mir. Ein gutes halbes Jahr voller Aufs und noch mehr Abs waren wir schon zusammen. Eine Fernbeziehung kann wirklich ätzend sein. Ich habe mir sogar eine Bahncard gekauft, damit wir uns ein Wir aufbauen können. Diesmal kam er mit der Bahn. Wir hatten ein paar tolle Tage und verbrachten die meiste Zeit, wenn die Kids im Bett waren ebenfalls im Bett. Nein, nicht wie ihr denkt! Also nicht nur. Mein Freund ist ein leidenschaftlicher Filmegucker und ich leidenschaftlicher Kuschler. Beides lässt sich optimal in einem Schlafzimmer mit Fernseher kombinieren.
Als er wieder weg war, spürte ich aufeinmal einen Hintergrundschmerz in der rechten Brust. Zuerst dachte ich, mein Freund war vielleicht einfach ein wenig zu rechtslastig unterwegs und habe in Betracht gezogen, dass ich vielleicht doch aus Zucker bin.

Als es nach 2 bis 3 Tagen nicht besser wurde, habe ich eine Bekannte konsultiert, die Assistenzärztin in der Gyn ist. Ich habe sie vollgejammert, wie ungern ich doch zum Arzt gehe und dass ich bestimmt nur empfindlich bin. Da das Ganze über Ferndiagnose ging und ich dazu neige, sowas runterzuspielen, konnte sie sich natürlich kein realistisches Bild machen. Sie fragte mich ob ich denn einen Knubbel unter dem Arm fühle und ob es nur einseitig wäre, was ich beides bejahte. Sie gab mir den Rat, ca. 2 Wochen zu warten, um meiner Vermutung nachzugehen, dass es nur eine Entzündung ist. Also wartete ich.

Bis erst mein Kind und dann auch ich krank wurde.
Eine Kita ist definitiv eine Seuchenstation, aus der mein Kind leider nicht nur schöne Bilder und selbst gebastelte Dinge mitbringt, sondern auch die lustigsten Krankheiten. Bei der Maul- und Klauenseuche wollte ich mir am liebsten Hände und Füße abhacken. Während mein Kind über 2 Tage gefühlte 3 Pusteln hatte, waren bei mir die kompletten Hände und vor allem Füße befallen. Neben sonstigen, diversen Erkältungen größeren und auch kleineren Ausmaßes, kam sie auch schon mit Läusen nach Hause. Und das bei unseren langen Haaren. Ich danke jetzt noch meinem Chef, der selbst zwei (gelegentliche Läuse-) Mädchen hat für den Tipp mit der Haarspülung vor dem Auskämmen. Ohne ihn hätten meine Tochter und ich heute sicher ein sehr gestörtes Haarkämmverhältnis.

Als ich noch meinen grippalen Infekt ausgelegen habe, habe ich mir einen Termin beim Frauenarzt geben lassen. Die netten Helferinnen konnten mich zum Glück noch vor seinem Urlaub einschieben.

Am 18. Mai begleitete mich also meine Zweitmama (die zweite Frau meines Vaters) zu dem Termin, von dem ich mir sicher war, dass ich irgendein lustiges Mittel gegen Entzündungen bekomme und dann wieder nach Hause gehen kann. Schön wäre es gewesen. Der Ultraschall, den ich sonst nur von schönen Dingen, wie einer Schwangerschaft her kannte, zeigt dann ein nicht gerade kleines, unförmiges Etwas. Und das war auch genau der Grund, warum mein Arzt zu mir meinte, ich solle vorsichtshalber mal eine Mammographie machen lassen. Und das möglichst schnell, da er nur noch 3 Tage in der Praxis wäre. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwar schon verunsichert, redete mir aber ein, dass es sicher nur eine doofe Entzündung ist. Ganz bestimmt.

Meine Mama, mit der ich mich zwar noch heute regelmäßig in den Haaren habe, wir aber schon immer ein sehr starkes Band zwischen uns hatten, stand nachdem sie die Nachricht erhalten hatte, einige Stunden später überraschenderweise auf meiner Matte. Das war die erste Nacht, die sie bei mir verbrachte.

Am nächsten Tag machten wir uns also im Dreierpack auf den Weg zur Mammographie, von der ich schon so viel schmerzhaftes gehört hatte, in der radiologischen Praxis. Ja, verdammt! Es ist schmerzhaft! Vor allem wenn man auch noch einen Knoten in der Brust hat, der auch schon ohne dass er gequetscht wird ziemlich weh tut.

Gerade als meine Brüste, die auch nicht unbedingt klein sind, sich von den Plexiglasscheiben erholten, wurde ich zum Ultraschall zitiert. Die Ärztin war mir auf Anhieb sympathisch. Wir quatschten, als würden wir gerade in einem Café sitzen und uns genüsslich bei einem meiner schwarzen Suchtmittel – Kaffee – kennenlernen, statt als dass ich halbnackt vor ihr auf einer Liege liege. Zumindest so lange, wie sie mit der linken Brust beschäftigt war. Bei der anderen wurde sie immer ruhiger. Und ich immer nervöser.

Als die Radiologin die Bilder auswertete, holte ich meine Mütter aus dem Wartezimmer und erlebte wohl die längsten 10 Minuten meines Lebens.

Die Ärztin erklärte uns dann, dass sie bisher am Besten damit gefahren ist, direkt zu sein, was ich wirklich sehr begrüße. Und so sagte sie geradeheraus die Worte, die ich auf keinen Fall hören wollte: „Das sieht mir sehr nach einem bösartigen Tumor aus.“

Bääääm! Sie hat ausgesprochen, was wir alle befürchteten. Tränen schossen mir in die Augen und ich schaffte es nicht lange, sie niederzukämpfen, da kullerten sie auch schon meine Wangen hinab. Trotzdem konnte ich die nächsten Worte noch hören. „Aber an Brustkrebs stirbt heute keiner mehr so schnell.“

Sie erklärte noch, dass sie vermutete, es handele sich um einen schnell wachsenden Tumor. Das würde sich zwar schlimmer anhören, in der Regel schlagen sie aber besser auf Chemotherapie an, was gut sei.

 

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