Herzwende https://www.herzwende.de Thu, 07 Mar 2024 16:38:21 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.25 Schockstarre https://www.herzwende.de/schockstarre/ https://www.herzwende.de/schockstarre/#respond Wed, 05 Jul 2017 20:22:43 +0000 http://www.herzwende.de/?p=985 Ich fühle mich wie erstarrt. Bin kaum noch in der Lage klar zu denken oder Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen die plötzlich so unwichtig und doch alltäglich sind. Ich weiß nicht wann oder was ich essen will. Es ist mir egal wer mich zu irgendwelchen Terminen fährt – Hauptsache ich komme hin. Es ist völlig unwichtig, was ich mir im Fernsehen anschaue, so lange es mich berieselt und es schafft mich abzulenken. Ich stehe unter völliger Schockstarre.

Ich habe mich dazu entschlossen, dieses Mal in eine andere Klinik zu gehen. Nicht weil ich den Ärzten nicht mehr traue, sondern weil ich mich zuletzt bei meiner Brust-OP im März, bei der auch der Port entfernt wurde, nicht mehr in der Klinik wohlgefühlt hatte. Ich weiß dass die Ärzte dort alles gegeben haben und es auch nicht ihre Schuld ist, dass ich nun da bin wo ich bin. Auch mit den OP-Ergebnissen bin ich absolut zufrieden.

Dieses Mal bin ich bei dem Professor, der an den Studien zu meiner letzten Chemo beteiligt war. Sämtliche Empfehlungen wurden in Richtung Heidelberg und Frankfurt ausgesprochen. Die Erfahrungen einer guten Freundin meiner Schwester gaben mir den letzten Ruck, mich für Frankfurt zu entscheiden. Als ich dann auch vor Ort war, stand für mich fest, dass ich mein Leben nun in die Hände dieser Götter in Weiß legen werde.

Nachdem ich die Woche zuvor direkt beim Frisör war, um mir schon mal die Haare wieder kurz schneiden zu lassen, fuhr mich montags die liebe Bekannte, die ich im Krankenhaus kennen lernen durfte nach Frankfurt, da ich seit ein paar Tagen ziemlich heftige Schmerzen an der rechten Seite hatte. So konnte ich bei der Gelegenheit noch einige andere Fragen los werden. Ich erfuhr, dass die Leber absolut „Kriegs entscheidend“ ist, ich wieder einen Port brauchen würde, weiterhin Lymphdrainage machen lassen sollte und wie das genau mit meinen Gewebeproben ablaufen wird, wenn diese erstmal genommen wurden.

Am Dienstag war dann einer meiner Zockerjungs zur Stelle, um den nächsten Gang mit mir zu machen. Erst gab es eine Vorbesprechung zur Punktion, die für den nächsten Tag vorgesehen war. Der Arzt der mir alles erklärte war wirklich total nett und verstand auch meine kleinen Späßchen, die ich eben immer so mache, wenn mir etwas nah geht und ich versuche das zu überspielen.

Anschließend durfte ich in die Röhre, damit man sich via MRT ein besseres Bild von dem Alien machen konnte. Ich war ja jetzt schon öfter in so einem Teil. Aber nie war es so anstrengend. Immer wieder ertönte die Stimme des jungen Mannes durch den Lautsprecher: „Einatmen… Luft anhalten… nicht mehr atmen.“ Und ich liege da so, halte die Luft an während es rattert und klopft und denke mir  „Nicht atmen… nur nicht atmen… schön die Luft anhalten… also so langsam könnte er aber was sagen… Puh, jetzt wirds aber wirklich eng… Hui, jetzt wird mir schummerig… Ich glaube gleich werd…“ „Weiteratmen!“ Und das mehrmals nacheinander.

Am nächsten Morgen fand ich mich erneut in der Klinik ein. Nach einiger Warterei bekam ich meinen Kittel und die sexy Netzunterhose. Auch meine Mama war heute wieder dabei, hielt mir die Hand so lange sie konnte. Schon vor dem CT-Raum lagen meine Nerven blank. Alleine das Wissen, dass man mir gleich mit einer Nadel in die Leber stechen würde, machte mich völlig fertig.

Das wurde noch schlimmer, als ich auf der Liege für das CT lag. Erst wurde eine Aufnahme gemacht, um besser schauen zu können, wo man genau die Punktion am besten durchführen könnte. Da war es dann für mich vorbei. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu heulen, verfluchte meine Situation und konnte meine Angst nicht mehr kontrollieren. Die Ärzte reagierten schnell und gaben mir sofort etwas zur Beruhigung. Vorgewarnt hatte ich sie ja bereits, dass es ohne wohl nicht gehen würde.

Ich erinnere mich noch daran, dass der Arzt knapp unterhalb meiner rechten Brust eine geeignete Stelle gefunden hatte und dass die Betäubungsspritze gebrannt hat. Mit den Armen über dem Kopf bin ich recht zügig weggedämmert, erinnere mich sonst nur noch daran, dass es irgendwann hieß man müsse nochmal stechen, da eine Entnahme nichts geworden ist. Zum Glück war ich da schon auf einem Level, auf dem es mir egal war. Immer ran an den Speck. Oder halt die Leber.

Als alles vorbei war, kletterte ich wieder in mein Bett. Ich war so hundemüde. So dauerte es auch nicht lange, bis ich dann auf meinem Zimmer wegdämmerte. Ein Glück war dieses Mal wieder eine total liebe Frau mit auf dem Zimmer. Auch die Pizza am Abend war ganz lecker.

Nachdem nichts nachgeblutet hatte, wartete ich am nächsten Tag auf den Bescheid, dass ich zum Kopf MRT darf.  Ich hatte beim Prof ja schon angekündigt, dass ich gerne mehrere Baustellen abgeklärt haben wollte. Als mir dann zum dritten Mal an drei Tagen das Kontrastmittel in die Venen lief, merkte ich auch schon dass es langsam wirklich viel ist. Meine Beine fingen regelrecht das Zittern an. Ich betete, dass das MRT möglichst schnell fertig ist. Die ganze Zeit war ich darauf bedacht, bloß nicht meinen Kopf zu bewegen, damit man ja nicht nochmal von vorne anfangen musste.

Als auch das geschafft war, wartete ich auf die Visite, um wieder Nachhause zu können. Der Arzt, den ich am vorigen Abend bei meiner Bettnachbarin gesehen hatte tauchte auf und erklärte mir, dass er mich nun auf Geheiß vom Prof untersuchen würde. Endlich habe ich die ersten Puzzleteile bekommen. Das ständige Zittern, der Krebs könnte dieses Mal schon im ganzen Körper sein, machte mich total fertig. Dazu die immer heftiger werdenden Schmerzen an der Seite und das Kopfkino ist perfekt.

Die Untersuchungen des sympathischen Oberarztes ergaben, dass weder Auffälligkeiten in meinem Unterleib, noch an den Nieren, meinen Brüsten oder der Lymphknoten im Brustbereich vorhanden waren. Ein erstes Aufatmen. Er versicherte mir auch, dass ich ausnahmsweise telefonisch die Ergebnisse vom Kopf MRT erfragen könnte, da ja nun auch das Wochenende anstand. Schon war ich wieder nervös.

Da selbst die Ibus keinerlei Wirkung mehr bei den Schmerzen zeigten, wurde mir zusätzlich ein leichtes Opiat verschrieben. Es sollte mir helfen, endlich mal schmerzfrei zu werden und ein wenig herunter zu fahren. Jedes noch so kleine Zwicken oder Zucken machte mich nur noch nervöser. Die Angst, der Krebs könnte sich schlagartig überall einnisten, wurde zum ständigen Begleiter. Da war das neue Schmerzmittel wirklich eine Erlösung. Auch wenn mir immer häufiger schwindelig wurde und ich viel mehr Zeit im Liegen verbringen musste.

Samstag Abend kam dann auch endlich der lang ersehnte Rückruf, nachdem ich wohl am Freitag die ganze Station mit meinen Anrufen wuschig gemacht hatte. Vorne am Hirn wäre eine kleine Auffälligkeit, die aber wohl keine Metastase sein könnte. Hinten links dagegen gibt es 3 mm, die Kontrastmittel aufgenommen haben, bei denen es absolut unklar ist, was das nun sei. Er beruhigte mich mit der Aussage, dass es sonst typisch ist, dass gleich mal 17 Metastasen oder ähnliches auftauchen würden. Mein Kopf wäre definitiv nicht mit Metastasen voll. Er äußerte die Vermutung, dass man in ein paar Wochen nochmal ein MRT machen würde, um zu schauen, ob die besagte Stelle größer wird. Aber bis dahin könnte man erstmal mit der Chemo anfangen.

Nur fehlte mir für die ja nun wieder der Port. Schöne Scheiße. Im März bei der Anpassungs-OP war ich der Meinung endlich mit dem Krebs abschließen zu können. Und da bräuchte ich ja auch keinen Port mehr. Also ist er bei der Gelegenheit mit raus geflogen. Nun ärgere ich mich über meinen Eifer.

Der Arzt der mir nach gerade mal vier Monaten wieder einen Port setzen wird, klärte mich über die Komplikationen auf, die auftreten könnten. Er meinte auch, dass es dieses Mal etwas schwieriger wird den Port zu setzen, da sie nicht wieder an die gleiche Stelle können. Nun muss er unter dem Schlüsselbein entlang. Freude. Dafür versprach er mir, dass ich bei dieser Port-OP nicht wieder mittendrin aufwachen würde, so wie das letzte Mal. Das brauche ich auch wirklich nicht nochmal.

Nachdem ich mich am Mittwoch an meine eigenen Ratschläge gehalten und beim Zahnarzt eine Zahnreinigung habe machen lassen, ging es am Freitag zum Knochenszintigramm. Leider hatte ich etwas mit dem Termin verdusselt und tauchte erst dann auf, als das Szinti gemacht werden sollte. Ich hatte total verpeilt, dass ich um 8 Uhr da sein sollte, damit mir das lustige Strahlenzeug gespritzt werden kann. Zum Glück haben sie mich nicht Heim geschickt, sondern tatsächlich länger gemacht, nur damit ich noch diese wichtige Untersuchung machen lassen konnte.

Ich war wirklich froh darum. Denn diese Warterei machte mich langsam wahnsinnig. Die meiste Zeit verbrachte ich in der waagrechten auf der Couch oder oben im Bett. Ich schlief, döste, schaute Fern oder grübelte. Zumal sich nach ein paar Tagen zu dem Schwindel auch noch Übelkeit gemischt hatte. Mittlerweile wurden auch die Rückenschmerzen so heftig, dass selbst das Opiat es nicht mehr schaffte, mich alle Schmerzen ausblenden zu lassen.

Am Montag kam dann die Stunde der Wahrheit. Nach einem Besuch bei der Heilpraktikerin, die sofort wieder mit einer Sauerstofftherapie und Vitamin C angefangen hatte, war mein Termin beim Prof, um endlich alle Ergebnisse zu erfahren. Das Gespräch war die reinste Berg- und Talfahrt.

Auch wenn ich hätte schwören können dass da etwas ist, sind meine Knochen tatsächlich metastasenfrei. Erste Erleichterung. Dass meine Leber auf den CT Bildern aussieht wie ein schweizer Käse, wusste ich ja bereits. Auch dass die größte Metastase dort 4,1 cm groß ist. Genauso dass die Pleura definitiv befallen ist und damit dann auch den Erguss vor wenigen Wochen erklärt. Hier hat mein Alien ebenfalls mehrere Ableger hinterlassen, wovon der größte 2,6 cm groß ist. Mehrere Lymphknoten in der Region sind befallen und ich weiß dass ich zarte Nebennieren habe. Wobei letzteres einfach nur lustig klingt. Nicht so lustig klingt dagegen der Satz „Eine Referenzmetastase links paraaortal unterhalb der Nierenvene misst 2,5 cm im Durchmesser.“

Der Prof meinte, dass wir dann gleich am Freitag mit der Chemo starten könnten, wenn ich am Donnerstag den Port bekomme. Meine neuen Heilmittel heißen diesmal Carboplatin und Gemcitabin. Er ist der Meinung, dass diese beiden Mittel, die ich nun alle 10 Tage bekommen soll, sehr gut anschlagen werden.

Wie der Zufall es so wollte, stand gerade als wir aus dem Zimmer kamen der Oberarzt vor der Tür. Er willigte ein, mir noch ein wenig über die Chemo zu berichten, die mich nun erwarten würde. Mir war ja klar, dass mir wieder die Haare ausfallen würden. Auch dass mir wohl wieder ziemlich übel sein wird. Damit habe ich schon die ganze Zeit gerechnet und es wurde mir auch direkt bestätigt. Womit ich allerdings so gar nicht gerechnet habe war, dass ich nun für den Rest meines (wohl nicht mehr all zu langen) Lebens Chemo bekommen würde.

Ich hatte mich ja wirklich schon damit auseinandergesetzt, dass ich wohl von nun an immer wieder mit weiteren Chemophasen rechnen müsste. Aber nicht damit, dass ich gar nicht mehr ohne sein werde. Vielleicht könnte man mal 3-monatige Pausen einlegen – wenn es gut läuft. Aber sonst soll ich mich daran gewöhnen, regelmäßig meine Packung zu kriegen, damit wir das Alien unter Kontrolle halten und ich noch ein wenig länger leben kann. Es so klar und deutlich nochmal zu hören, löste in mir die nächste Schockstarre aus. Hier geht es nicht mehr um Heilung. Hier geht es darum, noch ein paar Jahre rauszuschlagen.

Das macht mich so wütend. Traurig und wütend. Anfangs habe ich gesagt, ich will wenigstens noch Oma werden, bevor ich gehen muss. Jetzt bin ich froh, wenn ich noch mitbekomme, dass meine Tochter die Grundschule abschließt. Das ist der blanke Horror. Zu wissen dass man bald sterben wird ist schon eine heftige Sache. Aber zu wissen, dass man ein kleines Mädchen zurücklässt, das man über alles liebt und für das man sorgen will, das man aufwachsen sehen will und es wohl nicht darf, ist einfach nur erschütternd und gemein.

Ich hatte mich so gefreut, als ich vor 3 Monaten das erste Mal seit der Chemo wieder meine Regel bekommen habe. Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper sich von den Strapazen erholen konnte und dass mir nun wieder alles offen stehen würde, sollte sich doch noch der passende Mann dafür finden.
Und jetzt ist nicht nur klar, dass ich kein weiteres Kind bekommen werde, sondern es ist auch noch fraglich ob ich das, was ich bereits habe, wirklich großziehen darf. Immer wieder kreisen meine Gedanken um dieses kleine Mädchen, was verkraften muss, dass es bald keine Mama mehr hat. Und das viel zu früh. Das bricht mir das Herz.

Alles was mir jetzt bleibt, ist die Tatsachen zu verarbeiten, mich auf das schlimmste vorzubereiten und dann diesem scheiß Vieh gehörig in den Arsch zu treten!

Ich hoffe ich finde genug Kraft dafür…

 

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Eat – Sleep – Chemotherapy – Repeat! https://www.herzwende.de/eat-sleep-chemotherapy-repeat/ https://www.herzwende.de/eat-sleep-chemotherapy-repeat/#respond Thu, 15 Jun 2017 18:53:31 +0000 http://www.herzwende.de/?p=977 Eigentlich hatte ich ja vor, hier nach und nach von meiner Krebsgeschichte zu berichten. Mir alles von der Seele zu schreiben und damit Außenstehenden einen gewissen Einblick zu gewähren bzw. Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Eigentlich wäre als nächstes die Geschichte meiner Bestrahlung an der Reihe gewesen. Eigentlich. Doch dann holt einen der Alltag wieder ein. Man geht wieder arbeiten, frönt seinen Hobbies und das Kind will ja auch umsorgt werden. Oft dachte ich mir, ich müsste eigentlich mal wieder schreiben, habe aber einfach den Kopf nicht dafür gehabt. Dieses Mal wird es wohl anders laufen. 

Dieses Mal werde ich nämlich mehr oder minder live berichten können. Ich muss nicht ganz von vorne anfangen, denn ich bin mal wieder am Anfang. Ich kann nicht versprechen, dass ich oft schreiben werde und auch nicht wie lang oder kurz die Beiträge sein werden. Es wird wohl Tagesform abhängig sein.

Aber nun zu den Fakten.

Mitte Mai hatte ich plötzlich ein seltsames Gefühl, wie ein „Gluckern“ auf der linken Seite, ein kleines Stück unterm Brustkorb. Merkwürdige Muskelzuckungen gesellten sich dazu. Und dann kurze Zeit später ein heftiger Schmerz auf Höhe des Brustbein. „Verdammt! Nerv eingeklemmt!“ dachte ich. Also ging ich ins Bett – es war ja ohnehin schon spät. Wenn ich mich erstmal entspannen würde, würde es schon wieder aufhören. Am nächsten Morgen war es aber noch immer da. Es raubte mit regelrecht den Atem vor Schmerz. Als ich mich auf die Seite drehte, spürte ich eine Schwere in der Brust. „Der blöde Nerv ist hartnäckig!“ Ich rief meine Zweitmama an, da ich unfähig war, vor Schmerz überhaupt aus dem Bett zu kommen. Sie war sofort zur Stelle, verpasste mir eine Wärmflasche und gab meinem Bitten nach, bis Montag erstmal nichts zu unternehmen. Dann würde meine Hausärztin das schon klären.

Das Wochenende war ziemlich schmerzbehaftet. Am Samstag ließ ich mich noch zu meiner Schwester fahren, da wir zusammen Fußball schauen und Pizza backen wollten mit den Kids. Doch es wurde immer schlimmer und schlimmer. Obwohl es wirklich warm war, lag ich beim Spiel mit einer Decke da und zitterte regelrecht vor Kälte. Da wurde mir doch langsam mulmig.

Am nächsten Tag brauchte ich sage und schreibe 1 1/2 Stunden um mich irgendwie aus dem Bett zu rollen. Laufen ging so gar nicht. Völlig eingekauert saß ich auf der Bettkante und heulte vor Schmerz und Sorge. Kurzerhand packte meine Schwester mich ein um mich in das nah liegende Krankenhaus zu fahren. Dort wollte ich mir eine Spritze zur Muskelentspannung geben lassen und schnellstmöglich Heim auf die Couch. Trotzdem machte mich die Situation so fertig, dass ich kaum fähig dazu war der Frau beim Notdienst zu erklären was los ist. Sie beruhigte mich und meinte „Da wird schon nichts sein. Wir nehmen mal Blut ab und machen ein EKG aber sie sind ruckzuck wieder hier raus. Sie werden schon sehen.“ Also gut. EKG war top.

Dann kam der Arzt, hörte mich kurz ab und meinte es wäre bestimmt nur etwas wegen meinem Asthma. Ich dachte er verarscht mich. Ich erklärte ihm dass ich bereits seit 20 Jahren Asthma habe und das hier gerade ganz sicher nichts damit zu tun hätte. Im Bezug auf einen eingeklemmten Nerv meinte er, ich solle schwimmen gehen. Ahja. Aber wir werden mal noch die Blutergebnisse abwarten.

Als diese dann da waren, wurde er ein wenig blass. Er meinte ein Wert wäre sehr auffällig, ich würde jetzt mal stationär aufgenommen werden. Verdacht auf Lungenembolie. Da wurde ich dann auch blass. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Er auch nicht.

Nach sämtlichen Gepiekse ging es direkt zum CT. Kurz darauf tauchte der Arzt dann auch wieder auf und meinte dass man zwar von einer Embolie nichts sehen würde, ich aber Wasser in der Lunge hätte. Wie zur Hölle kommt da denn bitte Wasser rein?! Also ab aufs Zimmer, Beine wickeln lassen und ab an den Sauerstoff. Alles sehr beängstigend. Meine Mama kam umgehend mit einer Freundin ins Krankenhaus. Auch meine Zweitmama war sofort wieder zur Stelle.

Am nächsten Tag wurde dann auch schon der erste Ultraschall gemacht. Und die Punktion. Treue Leser wissen ja wie ich zu langen Nadeln in meinem Körper stehe. Das ist für mich mit das gruseligste was man machen kann. Zumindest wenn ich dabei wach bin. Doch leider musste ich für diese Prozedur nicht nur wach sein, sondern auch noch leicht nach vorn gebeugt sitzen. Zum Glück war meine Zweitmama auch hier wieder dabei. Hätte sie mich nicht an den Schultern festgehalten und meinen Kopf mit ihrem gestützt, wäre ich wohl einfach nur noch umgekippt. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so heftig geschwitzt.

Der Arzt entnahm einiges der Flüssigkeit um es untersuchen zu lassen. Das sollte nun etwa 4 Tage dauern. Also wieder auf Ergebnisse warten. Zum Glück hatte ich mittlerweile zwei richtig tolle Frauen auf meinem Zimmer, die mir den Aufenthalt sehr erleichterten. Auch das Pflegepersonal war wirklich top. Unheimlich waren eher die (vermutlich dementen) Leute, die Abends „Feuer! Feuer!“ riefen oder mit einem Servierwagen plötzlich durch den Flur rasten, um ein Kind zu suchen.

Ich heulte vor Glück, als mir der Stationsarzt sagte, dass keine Krebszellen im Erguss gefunden wurden. Alles andere würde ich schon wuppen! Übrigens war dieser Arzt der einzige, der mich gelegentlich auch mal abhörte und ich das Gefühl hatte, überhaupt ernst genommen zu werden. Der Oberarzt, der mich nach dem Ergebnis wieder ranzitierte, stempelte mich schnell als Heulsuse ab. Vor allem nachdem es hieß dass nochmal punktiert werden müsste und ich vehement den Kopf geschüttelt hatte. „Wie haben sie denn bitte das Tattoo ausgehalten?“ wollte er wissen. Ich lächelte ihn überfreundlich an und meinte „Soll ich ihnen den Trick verraten? Der hat nicht bis kurz vor meine Lunge gestochen!“

Dieses Mal waren noch zwei neue Ärzte mit dabei, denen er alles erklärte. Ich hatte das Gefühl es dauerte Stunden bis er endlich anfing. Ich war so stolz auf mich. Kein Zusammenbruch. Irgendwie ging diesmal auch alles bisschen schneller. Bis ich plötzlich das Wort „Tabaksbeutelnaht“ hörte. Das kannte ich von der OP meines Vaters. Dann hieß es auch schon „So! Drainage liegt!“ Waaaaaaaas?! „Ich dachte sie wollen nur das Wasser wieder entfernen?!“ „Eine Drainage ist da besser!“ sagte er und verließ kurz darauf den Raum. Eine Frau zog dann über die Drainage einen Liter Flüssigkeit ab. So schnell habe ich noch nie 1 kg abgenommen!

Zurück auf dem Zimmer war ich erstmal fix und fertig. Kaum dass die örtliche Betäubung nachließ, waren das höllische Schmerzen. Ich hätte mir das Ding am liebsten wieder ziehen lassen. Schon alleine deshalb, weil einfach über meinen Kopf hinweg entschieden wurde. Ich wusste ja dass die Drainage wichtig war. Und ich hätte auch sicher eingewilligt. Aber mal zu fragen wäre schon toll gewesen!

Mit der Zeit gewöhnte ich mich an den Schlauch, der nochmal um die 300 ml größtenteils roter Flüssigkeit aus meinem Pleuraspalt beförderte. Danach war Ruhe. Ich war ja so glücklich, dachte dass der Schlauch bald wieder gezogen werden könnte, wenn ich das Wochenende erstmal überstanden habe. Mittlerweile war ich dann auch schon wieder alleine in dem 3-Bett-Zimmer.

Am nächsten Tag wurde ich wieder zu dem empathielosen Oberarzt gerollt. Er wollte nun nochmal Flüssigkeit raus ziehen, nachdem für ihn klar war, dass ich eine Lungenfellentzündung habe. Nach der dritten Spritze hatte ich plötzlich so heftige Schmerzen im Rücken, dass ich dachte er bricht mir die Wirbelsäule. Er hielt kurz inne und ich spürt plötzlich ein erlösendes Gefühl. Vielleicht hatte sich der Schlauch innen festgezogen. Oder was auch immer. Aber das reichte dem Schlächter nicht. Er setzte nochmal an. Wie aus dem Nichts hatte ich das Gefühl, alle meine Organe ziehen zur Mitte hin. Das waren Schmerzen ohne Ende. Ich bekam auch deutlich weniger Luft als zuvor. Ich schrie sofort dass etwas nicht stimmt und es gerade wirklich weh tut, ich auch Atemnot habe. Ganz gemütlich warf er die Spritze in den Mülleimer und ging mit den Worten „Bis später.“ lässig aus dem Zimmer.

Ich krümmte mich im Bett vor Schmerzen und sagte immer wieder dass irgendetwas nicht stimmt. Doch man ignorierte meine Rufe. Ich wurde immer panischer, brüllte das halbe Krankenhaus zusammen dass ich keine Luft bekomme, mir aber keiner hier glaubt. Es war der blanke Horror! Ich wurde auf mein Zimmer gerollt, bekam eine Beruhigungstablette und zum Glück einen schnellen Besuch vom Stationsarzt, der wohl als einziger in der Abteilung der weißen Götter sowas wie Einfühlungsvermögen besaß. Er schaffte es dass ich mich beruhigte und so bekam ich auch wieder allmählich Luft. Meine Seite hat aber noch immer heftigst geschmerzt. Schmerztabletten waren von nun an mein bester Freund.

Sonntag Nacht war dann leider die Ruhe vorbei. Am Abend kam eine ältere Frau in mein Zimmer, die wirklich laut schnarchte. In der selben unruhigen Nacht wurde dann auch noch eine völlig hysterische Frau in unsere Mitte geschoben. Sie fauchte alles und jeden an, obwohl man ihr doch nur helfen wollte. Ich habe sie dann versucht in ein Gespräch zu verwickeln um sich abzulenken. Prompt war ihre Atmung besser. Kaum dass ich wieder schlafen wollte, wurde es bei ihr wieder schlimmer. Seltsam.

Der nächste Tag war wieder von vielen Beschimpfungen, Unfreundlichkeiten und Gezicke behaftet. Sie wollte einfach nicht verstehen dass an einem Feiertag eben nur Notbesetzung in so einer kleinen Klinik vorhanden ist und es eben auch noch wirkliche Notfälle gibt. Ich habe mit Engelszungen auf die eingeredet, sie solle mal versuchen sich abzulenken und sich zu entspannen. „Ich brauche keine dummen Ratschläge, sondern einen Arzt!“ Danke. Fick dich! Sie hat so lange einen Aufstand gemacht bis tatsächlich ein Arzt kam und sie ruhig gestellt hat. Wobei Ruhe da relativ ist. Die Frau hat sogar im Schlaf geredet!

Dienstag bekam ich kaum einen Arzt zu Gesicht. Als der nette Stationsarzt zur Visite da war, machte die Dramaqueen neben mir direkt einen Aufstand „Warum sagt mir denn keiner was ich habe. Muss ich sterben? Ich muss sterben!“ Nicht dass wir ihr schon die ganze Zeit alle gesagt hätten dass am Feiertag eben nicht viel passiert. Der hervorragende Arzt erklärte ihr mit seiner ruhigen Art dass sie nicht in einem Gefängnis sei und sich gern jederzeit selbst entlassen kann wenn sie so unzufrieden ist. Plötzlich war sie handzahm. Hatte aber auch seine volle Aufmerksamkeit.

Ich gewöhnte mich dann irgendwann fast schon daran, dass sie immer auf sich aufmerksam machte, wenn ein Arzt oder ein Pfleger wegen mir da war. Es kam nicht nur einmal vor, dass ich plötzlich links liegen gelassen wurde, weil sie wieder geplökt hat. Ich merkte wie immer mehr Wut in mir aufstieg. Diese egozentrische, unverschämte Art kotzte mich an. Daher war es wohl auch klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich platzte. Schon an dem einen Abend habe ich sie mal darauf hingewiesen, dass es Worte wie Bitte und Danke gibt und sie verdammt unverschämt ist. Außer einen dummen Blick und ein „Was wollen sie denn jetzt?“ hat sie nicht hinbekommen.

Am nächsten Tag war es dann auch soweit. Kaum war ihr Mann da, wurde erstmal über sämtliche Schwestern gelästert, über alles gemeckert und negative Scheiße versprüht. Genau das was man eben so braucht, wenn man gesund werden will. Ich versteckte mich eine Dreiviertelstunde im Bad, schaffte es immerhin das erste Mal mich wieder selbst zu waschen und fertig zu machen. Als ich raus kam, zeterte sie noch immer. Ich atmete so tief durch wie ich konnte. Ihr Mann predigte ihr die ganze Zeit, sie solle doch mal bei sich bleiben, sich beruhigen und dass hier auch noch andere Leute sind. Ich konnte nicht mehr an mich halten, drehte mich um und fragte „Können sie bitte mal auf ihren Mann hören?!“ Irritiert schaute sie zu mir rüber „Was denn jetzt?“ Und da platzte es auch schon aus mir heraus. Ich sagte ihr, dass ich ihr Gemecker und diese ganze negative, unfreundliche Scheiße nicht mehr ertrage. Seit zwei Tagen hörte man auf dem Zimmer nichts anderes mehr. Sie sei hier nicht alleine und es gibt auch noch andere Menschen die hier gesund werden wollen! Die Pute fuhr mich zurück an „Was wollen sie überhaupt?! Sie haben sich doch schon hinter ihrem Elektrosmog eingemauert!“ „Aber scheinbar reicht das nicht aus!“ keifte ich sie wiederum an. Als bösen Elektrosmog (in einem Krankenhaus!) bezeichnete sie mein Handy und meinen Laptop. Ich wette daheim rennt sie mit einem Aluhut herum.

Natürlich ging das alles noch schön hin und her, ich regte mich immer mehr über diese Dreistigkeit von ihr auf, bis ich plötzlich selbst wieder heftigste Schmerzen in der Seite hatte und keine Luft mehr bekam. Schnell eilte eine Schwester herbei. Das war der Moment wo ich nur noch schrie „Entfernen sie bitte sofort diese Person!“ Leider bekam ich nur das Angebot mir ein neues Zimmer geben zu lassen. Da wurde ich dann auch zickig. Ich war zuerst da! Und ich hatte das Zimmer schon so schön mit den Bildern meiner Tochter geschmückt. Pah! Wenn die sich weiter so aufspielt, ekel ich die raus! Als sie wieder mal zu einer Schwester unfreundlich war, lächelte ich diese freundlich an und sagte im Namen der „Pute“ danke.  Sonst ignorierte ich sie. Nach einer Stunde hatten wir uns beide abgeregt und die Pute war plötzlich ein ganz normaler Mensch. Sie war sogar fast freundlich! Scheinbar hat sie mal so eine Ansage gebraucht. Wir trauten uns dann zwar nicht wirklich über den Weg, schafften es aber weitestgehend höflich zu bleiben. Eben jeder so wie er es kann.

Am Mittwoch war dann auch der Oberarzt nochmal bei mir. „Wurde mal gespült?“ Ich blinzelte irritiert „Äh, bitte was?“ Schon war er wieder draußen und kam mit Kochsalzlösung bewaffnet zurück. Natürlich war die Drainage verstopft. Das war dann auch der Grund warum nichts mehr kam. Nach dem Spülen war ich den nächsten halben Liter an Flüssigkeit los. Na prima. Das frustrierte mich so richtig.

Am nächsten Tag wurde dann von einer lieben Schwester gespült. Es war schon wieder verstopft. Die nächsten 300 ml verließen den Spalt zwischen Lungen- und Rippenfell. Der Stationsarzt war wegen des vielen Blutes im Erguss sehr unsicher. Er meinte ich solle doch mal lieber meinen Onkologen hinzuziehen, einfach nur um sicher zu gehen. Etwas das ich so gar nicht hören wollte. Ich wollte einfach nur dass es sich warum auch immer entzündet hat und nun schnell wieder heilt. Der Oberarzt meinte aber dass ein blutiger Erguss bei sowas normal sei. Ich müsse mir halt überlegen wem ich nun glauben will. Yay!

Von nun an ließ ich öfter spülen und schnell wurde es immer weniger Flüssigkeit. Endlich! Fast zwei Wochen war ich nun schon im Krankenhaus. Das gute war, dass ich nah an Zuhause war. So besuchten mich wirklich viele Freunde und Verwandte. Vor allem die Besuche meiner Tochter hellten jedes Mal meine Stimmung auf. An dieser Stelle erstmal: Danke an alle die da waren! Ich habe mich über jeden einzelnen riesig gefreut! Auch wenn ich aussah wie Lumpi und ich nie erwartet hätte, dass mich eine meiner Freundinnen oder meine Schwester mal abduschen würde.

Am Freitag kam der Oberarzt mal wieder auf Station und auch direkt zur Sache „Wir verlegen sie heute nach Darmstadt in die Chirurgie damit die Lunge verklebt werden kann!“ „Ähhh… bitte was?! Aber es kommt doch kaum noch was raus!“ Er schaute sich die Drainage an und stimmte zu, erstmal noch einen Ultraschall zu machen. „Stimmt. Kaum noch was drin. Was halten sie davon nach Hause zu gehen?“ Ich grinste fast im Kreis. „Viel!“ „Also gut. Wir sehen uns am Montag wieder. Dann schauen wir wieviel Wasser noch drin ist und entscheiden wie es weiter geht.“ Juhu!

Meine Mama kam am Samstag direkt zu mir und blieb über Nacht damit ich nicht so alleine war. Meine Tochter ist leider genau zu dem Wochenende krank geworden, so dass wir uns gar nicht sehen konnten.

Montag ging es dann wieder in die Klinik. Meine Zweitmama begleitete mich, da meine Mama wieder arbeiten musste. Beim Ultraschall meinte der Arzt, dass unten alles trocken wäre. Nur weiter oben wäre noch Flüssigkeit abgekapselt. Er könne aber beim Ultraschall nicht genau erkennen wieviel das ist. Also zur Sicherheit noch ein CT.

Nach dem vierten Versuch lag dann auch endlich der Zugang und ich konnte mich wieder durchleuchten lassen. Die Wartezeit danach machte mich immer nervöser. Eine Schwester meinte zwischendrin mal dass der Doktor die Bilder nun vorliegen hätte und er sicher gleich mit uns reden würde. Noch nervöser wurde ich, als er ins Büro einer anderen Ärztin ging. Irgendetwas stimmte einfach nicht.

Kurz darauf kamen beide raus. „Wir machen nochmal Ultraschall.“ Okay. Hier war was faul. Und zwar so richtig! Ich war von den typischen Ablenkungsfragen einfach nur genervt und sagte dass ich gerade ziemlich nervös werde. Keine Antwort. Sie starrten weiter in den Monitor und ich sah das betrübte Gesicht von dem Oberarzt „Was haben sie gefunden?!“ hakte ich nun energischer nach. Die Ärztin fixierte mich und sagte „Sie haben Auffälligkeiten in der Leber.“ Ich wollte mich kneifen um zu sehen ob ich gerade wieder irgendeinen Scheiß träumte. Aber es war leider Realität. Irgendwer erzählte noch etwas von mehreren Punkten, einem etwas größeren. Die nächsten Worte waren „Onkologe“, „Vorgeschichte“ und „Chemo“ die hängen blieben. Das kann doch einfach nicht wahr sein…

Ich brach in Tränen aus, jammerte dass ich doch alles, wirklich alles getan hatte, damit das scheiß Ding nicht wieder kommt. Das darf einfach alles nicht sein! Mir wurde Zeit gelassen so viel ich wollte, damit ich mich sammeln und für den Gang runter zum Onkologen wappnen konnte. Ich war wie in Schockstarre.

Der Onkologe sprach ebenfalls von einer weiteren Chemo. Das erste Mal hörte ich das Wort „Metastasen“ und war nur noch mehr von der Rolle. Nicht schon wieder! Nicht jetzt schon! Ich will mehr Zeit! Ich will mein Kind aufwachsen sehen! Werde ich sterben? War es das jetzt? Ich habe immer gesagt so lange nichts an den Organen ist, schaffe ich es. Und jetzt? Jetzt ist da was an meinen Organen. Vermutlich sogar schon an der Lunge. Wer weiß wo noch.

Ich entschied umgehend erstmal wieder zu meinem Vater und meiner Zweitmama zu ziehen. Alleine würde ich das nicht durchstehen. Auch hatte ich das Bedürfnis möglichst schnell einigen Leuten davon zu erzählen, einfach nur um es selbst glauben zu können. Selbst jetzt, drei Tage danach kann und will ich es einfach nicht glauben, dass nun alles wieder von vorne losgeht. Werde ich es wieder schaffen? Ist es schon zu spät? Wo ist es schon überall? Da neben zwickt es immer mal. Ist da schon was? Und da oben zieht es auch schon länger. Vielleicht ein dicker, fetter Lymphknoten? Scheiße. Was mache ich wenn es schon im Hirn ist? Panik pur!

Ich kenne diese Phase noch sehr gut. Es ist die schwierigste überhaupt bei so einer Diagnose. Man weiß einfach nicht wo man genau steht, was schon betroffen ist und was auf einen zukommt. Ob ich kämpfe? Sicher! Ob ich Angst habe? Ja, verdammt!

Alles was ich gerade will, ist dass gegen dieses hartnäckige Scheißvieh vorgegangen wird. So schnell es geht. Ich habe das Gefühl, einen Wettlauf gegen die Zeit zu haben. Gegen diese verfluchten Zellen, die gerade meinen Körper erobern.

Der Spezialist bei dem ich war meinte zwar dass es vollkommen ausreicht in den nächsten zwei Wochen zu starten aber mir schnürt sich immer mehr alles zu. Er war sehr zuversichtlich dass wir ein Mittel finden das mir hilft „es wieder in den Griff zu kriegen.“ Das ist meine größte Sorge. Es muss einfach wirken. Das andere was mir Angst macht ist, dass keiner mehr von Heilung spricht. Werde ich jetzt alle paar Jahre wieder so eine Tortur mitmachen müssen, bis alles ausgeschöpft ist oder mein Körper es einfach nicht mehr aushält? Der Traum irgendwann mal wieder so zu leben wie vor der Erstdiagnose ist zerplatzt wie eine Seifenblase.

Ich will leben!

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Die schwierigste Entscheidung meines Lebens https://www.herzwende.de/die-schwierigste-entscheidung-meines-lebens/ https://www.herzwende.de/die-schwierigste-entscheidung-meines-lebens/#respond Tue, 14 Feb 2017 21:22:12 +0000 http://www.herzwende.de/?p=971

I am Rose my eyes are blue
I am Rose and who are you
I am Rose and when I sing
I am Rose like anything.

Stand in geschwungenen Lettern auf Leinwänden, die auf Keilrahmen gezogen waren, ganz in orange und rot gehalten. Man konnte gar nicht anders als es immer und immer wieder zu lesen. Ein echter Blickfang in der modern eingerichteten Praxis. Eine kleine Theke, an der man sich mit Wasser versorgen konnte stand als Trennwand zwischen Wartebereich und Kabinen. Dazu eine Schüssel mit Gummibärchen. Hoffentlich nicht für Kinder. Es ist so fies, wenn diese arschige Krankheit schon Kinder trifft.

Nach gar nicht mal so langer Wartezeit wurden die Frau meines Vaters und ich von einer Frau mit einem weit östlich angehauchtem Akzent in ihr Sprechzimmer geführt. Heute sollte ich erfahren, wie genau der letzte Behandlungsschritt meiner Krebstherapie ablaufen sollte. Aufgeregt war ich nicht. Schließlich ging ich davon aus, das schlimmste nach der Chemo und der OP bereits hinter mir zu haben.

Sie erklärte wie gut man heute die Brust bestrahlen könnte, ohne großartig andere Organe in Mitleidenschaft zu ziehen. Natürlich würde meine Haut mit der Zeit darunter leiden, könnte sich verfärben und wie vom Schmerzfaktor und Aussehen her einem richtig schlimmen Sonnenbrand gleichen. Das schreckte mich aber nicht ab. Ich war zuversichtlich und bestens gelaunt. Bis sie anfing von den Nebenwirkungen der Bestrahlung der Lymphen zu berichten.

Ich wurde blasser und blasser. Da sie bereits auf Höhe des Halses ansetzen würden, könnte ich Halsschmerzen bekommen, die auch länger bleiben würden. Gut. Halsschmerzen sind doof aber machbar.

Die Lunge. Da ein Teil der Lunge im Bestrahlungsfeld liegen würde, könnte ein mehrwöchiger trockener Husten auftreten. Da fängt es schon an kritischer zu werden. Wer mal eine Erkältung hatte (ha-ha, wer nicht?), weiß wie blöd man einschläft, wenn man immer wieder husten muss. Sowas kann schon über einen längeren Zeitraum sehr sehr qualvoll sein.

Dann ging sie zu den bleibenden Schäden über. Wassereinlagerungen, mit denen ich bis dato noch keinerlei Probleme hatte, dadurch keine Einkaufstüten mehr rechts tragen dürfen, keine großartigere Belastung des rechten Armes, Lymphdrainage und so weiter.

Jetzt war sie erst so richtig in Fahrt. Sie berichtete von Muskelproblemen, Nervenschädigungen in Form von Kribbeln, Taubheitsgefühl, bis hin zur Lähmung. Jackpot! Begrabt mich doch am besten gleich.

Das war dann auch der Moment, in dem ich fassungslos und in Tränen aufgelöst wie ein Häufchen Elend dort saß. Es wären zwar „nur“ 15% Wahrscheinlichkeit aber sein wir doch mal ehrlich. Wie hoch ist die Gefahr mit Anfang 30 an Brustkrebs zu erkranken? Ich glaube die ist um einiges geringer und trotzdem habe ich es geschafft. Andererseits was würde es heißen, die Lymphen nicht mit bestrahlen zu lassen? Was wenn sich doch noch irgendwo diese kleinen, teuflischen Zellen festgesetzt haben? Das alles nochmal von vorne?
Eat-Sleep-Chemotherapy-Repeat? Nein, danke!

Es kam mir vor als hätte ich die Wahl zwischen Pest und Cholera. Für keine der beiden Varianten gab es eine Garantie. Ich könnte bestrahlen lassen und alles ist gut oder ich kann im schlimmsten Fall meine rechte Hand nicht mehr nutzen. Das würde bedeuten ich könnte meinen Job vergessen, mein größtes Hobby und keine Ahnung wie ich mich um Kind und Haushalt kümmern soll mit nur einer Hand. Vor allem der linken.

Ich könnte die Bestrahlung sein lassen und werde noch locker 90 Jahre alt. Oder eben nicht. Vielleicht 40. Je nachdem welchen Weg sich die Alienzellen suchen würden und wann man sie entdecken würde. Jedenfalls wären meine Rezidivängste schlimmer. Egal wie ich ich mich entscheiden würde, es wäre endgültig. Nicht nachholbar oder rückgängig zu machen.  Die schwierigste Entscheidung meines Lebens.

Die nächsten Tage entschied ich mich fast schon im Stundentakt um. Ich konsultierte einen Arzt aus der Klinik, fragte ihn nach seiner Meinung. Er sprach sich eher dagegen aus. Der Professor, zu dem ich dank Schwägerin meiner Zweitmama schon zu Anfang Kontakt hatte, äußerte sich für eine Bestrahlung. Er merkte wie ratlos  und hin und her gerissen ich war. Daraufhin hielt er nochmal mit zwei weiteren Oberärzten der Uniklinik Rücksprache. Sie waren sich einig.

Doch der Professor hatte es geschafft genau die richtigen Worte zu finden und mir alles so zu erklären, dass ich es verstehen konnte. Von Mikrozellen die sich festsetzen und vielleicht auch eine Chemo überleben können. Dass die Bestrahlung das kleinere Übel gegenüber der Chemo ist, da sie viel lokaler wirken kann, während die Chemo auf den kompletten Körper wirkt. Er sagte ich solle die Ärztin fragen, wie oft sie solche Nebenwirkungen denn wirklich schon erlebt habe. Sie hätte mir quasi den Beipackzettel vorgelesen. Und das war dann auch der Moment, in dem ich mich festlegte und für die Bestrahlung entschied. Würden wir von unseren Kopfschmerztabletten alle Nebenwirkungen des Beipackzettels durchlesen, würden wir sie vermutlich auch nicht mehr nehmen. Mit der Sichtweise konnte ich leben.

Zwei Wochen später machte man mich wieder zum Strichmännchen. Erst wurde ein CT gemacht, dann alle Markierungen mit einem fetten Filzstift aufgemalt, diese Striche dann nochmal transparent gepflastert. Besonders gemein ist es, wenn es heißt „Und jetzt nicht mehr bewegen…“. Langsam fährt die Spitze des Stiftes über die Haut und man spannt sich schon an, grinst von Ohr zu Ohr und weiß ganz genau, dass man im nächsten Moment laut loslachen wird, weil es so verdammt kitzelt! „Nicht bewegen!“ wurde ich scharf aber mit einem Schmunzeln ermahnt. Ich winselte nur noch mit zusammengebissenen Zähnen und grinste mir einen.

Die Wartezeit, bis es dann endlich losgehen würde überbrückte ich mit meiner neuen Leidenschaft, dem Streamen. Auf einer Plattform, extra für so gestörte oder manchmal auch egozentrische Nerds, konnten mir andere Leute per Webcam und Übertragung meines Bildschirms zusehen, wie ich Computerspiele spielte. Als Mützenjule hatte ich dort jede Menge Spaß und lernte viele tolle Menschen kennen, die mich zum Teil heute noch begleiten. Ich war wirklich überrascht, dass mir tatsächlich Leute öfter zugesehen haben. Wer hätte das gedacht?

Aber auch bei meinem Kanal fuhr ich weiterhin die gleiche offene Schiene. Ich hatte zwar bereits den ersten 1 cm Flaum auf dem Kopf, dennoch sah man mir noch meine Krankheit an. Also warum ein Geheimnis daraus machen? Es ist tatsächlich auch öfter zum Thema meiner Übertragungen geworden. Manchmal so intensiv, dass ich gar nicht mehr wirklich gezockt sondern nur noch mit meinen Zuschauern geredet habe. Besonders bewegt haben mich die Gespräche, wenn jemand im Chat aufgetaucht ist, der selbst jemanden kennt oder mit jemandem verwandt ist, der gerade gegen den Krebs kämpft. Bei mir konnten sie Dinge fragen, die sie sich bei anderen nicht getraut haben. Alleine dafür hat es sich schon gelohnt, das Projekt „Streaming“ zu starten.

Whoop whoop!

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Die OP – Machen wir mal das Beste draus! https://www.herzwende.de/die-op-machen-wir-mal-das-beste-draus/ https://www.herzwende.de/die-op-machen-wir-mal-das-beste-draus/#respond Fri, 02 Dec 2016 15:04:12 +0000 http://www.herzwende.de/?p=860 Ich war müde. Aber weniger aufgeregt als das letzte Mal, als ich all diese Untersuchungen machen lassen musste. Schließlich wusste ich, wie verdammt gut die Chemo angeschlagen hatte. Mein Alien war per Ultraschall nicht mehr auffindbar. Mein Gedächtnis und Konzentrationsvermögen hat es aber ein Stück weit mitgenommen. Dafür hat es mir eine Vorahnung zurückgelassen, wie die Wechseljahre werden könnten. Egal. Der nächste Schritt stand auf dem Programm: Die Op!

Und bevor man diese nun wirklich in Angriff nehmen würde, war das Nachstaging angesagt. Diesmal schien alles besser organisiert zu sein. Viel kürzere Wartezeiten und kaum mehr als fünf Minuten die man mal sitzen konnte. So erfuhr ich auch rasch, dass im Oberbauch alles tutti und mein Herz auch nach dem Sitzenlassen meines Ex-Freundes nicht gebrochen war. Ich lachte schallend auf, als man mich fragte, ob ich denn viel Sport machen würde. Ich hätte eine Sportlervene. Gerade weil ich etwas das halbe Jahr zuvor gefühlt nur gelegen habe. Oder um einen guten Freund zu zitieren: Julia ist vom Sternzeichen Faultier mit Aszendent Siebenschläfer.

Nach dem MRT durfte ich noch die Anästhesistin kennen lernen. Eine lustige Frau. Als ich wissen wollte, warum man immer nach lockeren Zähnen gefragt wird, erklärte sie mir, dass es passieren kann, dass man unter Vollnarkose auf den Tubus beißt. Aber so blöde Sachen solle ich einfach lassen, sowas fangen wir gar nicht erst an. Sie hatte eine Art an sich, die ich sehr mag. Ich vertraute ihr und lehnte Beruhigungsmittel ab. Schließlich konnte ich mich lange genug auf das vorbereiten, was mich nun erwarten würde. Ich war die Ruhe selbst.

Zum Schluss ging es noch zum Malen. Der Oberarzt verwandelte mich in ein Strichmännchen, malte schon mal mit einem dicken schwarzen Stift vor, wie man wo schneiden würde. Er bestätigte mir, dass man brusterhaltend operieren könnte und ich drohte ihm, dass er nicht zu viel wegnehmen darf. Ich hab ja schon öfter verhandelt, vorher aber nie über Körbchengrößen. Wir einigten uns darauf, dass er schaut was er machen kann, trotzdem aber alles rausholt was raus muss.

Zum Schluss teilte mir eine Schwester noch mit, dass ich doch morgen früh noch punktiert werden muss. Ich wunderte mich. Für mich hieß das einfach nur „es muss geklärt werden wo genau geschnitten wird“, was für mich mit den lustigen Strichen eigentlich erledigt war. Meine Zweitmama, die mich mal wieder begleitete und ich hakten nach. Dann wurde ich blass und mir wurde schlecht. Plötzlich war ich gar nicht mehr so locker und in meinem Zahnarztmodus, von wegen Augen zu, Mund auf. Ich machte mir fast in die Hose vor Angst, wollte auch nicht mehr reden und am liebsten auch nicht mehr denken. Nur klappte das leider nicht. Ich musste immer wieder an die Schilderung von dem denken, was man morgen mit mir anstellen würde. Es machte mir keine Angst, dass man vor hatte mich aufzuschneiden. Einmal quer unter der Brust, senkrecht nach oben und noch um die Brustwarze herum. Durch die offene Brust wollen sie auch bis in die Achsel rein, um dort für die Lymphknoten keinen weiteren Schnitt machen zu müssen. Schließlich würden sie mich ja ohnehin weit genug aufklappen. Und ich bin dann unter Vollnarkose, bekomme sowieso nichts mit. Aber eine Nadel unter laufender Mammographie bis zur Mitte meiner Brust zu schieben, das war einfach zu viel für mich. Ich hatte eine scheiß Angst!

Am nächsten Tag befand ich mich völlig widerwillig und mit flauem Gefühl im Magen um 7 mit meiner Zweitmama im Krankenhaus. Wir gingen direkt zur OP Vorbereitung, wo ich meine Klamotten los wurde und dafür diesen sexy Kittel mit den tollen Netzstrumpfhosen bekam. Als der Mann, der mich eingewiesen hatte meinte dass ich ja kein Beruhigungsmittel wollte, habe ich sofort mein Veto eingelegt und ihm erklärt, dass ich nun doch etwas bräuchte. Schließlich hatte ich erst ganz zum Schluss erfahren, was man mir da antun will, während ich noch wach bin. Er lachte, ging weg und kam mit einer Tablette und einem Schlückchen Wasser zurück. Ein Glück. Ich nahm die Tablette und wartete, zitterte aber am ganzen Körper vor Aufregung.

Gegen 8 Uhr wurde ich in meinem Bett hoch zur Radiologie geschoben. Zu meiner Horror-Nadel. Ich konnte nicht mehr anders und war nur noch am Heulen, betete dass endlich die Wirkung der LMAA-Tablette einsetzen würde, doch es passierte nichts. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit dann in das Zimmer geschoben wurde, in dem die Mammographie stattfinden sollte, war ich bereits völlig aufgelöst. Ich schilderte den einfühlsamen Frauen dort meine Ängste und eine von ihnen versprach mir die ganze Zeit die Hand zu halten.

Die erste Mammographie von zwei Seiten erfolgte im Stehen. Mir war heiß und kalt zugleich und ich wollte überall sein, nur nicht hier. Dann ging es los. Während meine Brust im Liegen zwischen diesen beiden Platten gefangen war, wurde diese schier endlose Nadel in sie geschoben. Ich fing an zu hyperventilieren, stand kurz vor einer Panikattacke, versuchte sie wegzuatmen, wie ich es bei der Schwangerschaft mit den Wehen gelernt hatte. Ich war mir sicher, dass sie nicht getroffen haben konnten, so viel wie ich mich bewegte. Ich drückte die Hand der Schwester, bis meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Dann die erlösenden Worte: „Geschafft!“ Der Draht saß. Um zu überprüfen ob er auch dort saß wo er hin sollte, folgte noch eine weitere Mammographie. Obwohl ich es gar nicht wollte, schaute ich zur Seite, sah dort blutige Tücher. Dann runter zu meiner Brust. Mir wurde ganz schwindelig als ich den Draht sah, der aus ihr hinaus ragte. Wenigstens saß er tatsächlich genau dort wo er sollte. Verdrahtet und wie unter Schockstarre wurde ich nach kurzer Wartezeit zur Schleuse gebracht.

Dort angekommen hatte ich mich wenigstens weitestgehend wieder beruhigt. Das in meinen Augen schlimmste hatte ich nun hinter mir. Nun würde der Teil kommen, für den ich verdammt nochmal hier war. Endlich wird man die Reste dieses beschissenen Aliens aus mir entfernen, auf dass es nie wieder kommt!  Bei der Schleuse selbst konnte ich schon wieder mit dem Pfleger witzeln, auch wenn wir uns nicht wirklich lange unterhalten konnten.

So sieht also ein OP von innen aus. Die einzigen Operationen die ich bis dato hatte, war eine Weisheitszahn-OP, die irgendwie anders war und eine abgerissene Nabelschnur nach der Geburt meiner Tochter. Da hatten sie mich allerdings noch im Kreißsaal schlafen gelegt.

Meine Lieblingsärztin huschte vorbei und kam sofort zu mir als sie mich gesehen hatte, redete mir Mut zu, den ich ab da eigentlich gar nicht mehr brauchte. Man merkte ihr an, dass sie da unten im OP voll in ihrem Element war. Sie wuselte mit den anderen Ärzten und Schwestern herum, bereiteten alles vor. Wieviele Menschen dort doch waren. Mir wurde plötzlich bewusst, wie viele Leute nun bei der OP dabei sein würden. Krass. So ein Aufwand. Ich hatte allerdings nicht viel Zeit um darüber nachzudenken, da kam die nette Anästhesistin. Sie fragte mich wie es mir geht und ich meinte dass ich das Gefühl habe, dass ihre Tabletten kaputt sind. Sie schaute mich verwundert an und meinte „Sie wollten doch gar kein Beruhigungsmittel.“ Ich erklärte ihr warum ich mich umentschieden hatte, sie blätterte in meiner Akte und erklärte mir dann, dass ich auch nichts bekommen habe. Völlig irritiert hakte ich nach, meinte dass der Mann in der Vorbereitung mir doch eine Tablette gegeben habe, nachdem ich ihn aufgefordert hatte mir etwas zur Beruhigung zu geben. Daraufhin meinte sie dann, dass das gegen das Erbrechen nach der Narkose war. Bei der OP nach der Geburt meiner Tochter ist mir direkt alles hochgekommen. Das wollte man vermeiden. Dass ich Panikattacken und eine scheiß Angst hatte wohl nicht. Die Ärztin erklärte mir noch, dass er mir das auch gar nicht hätte einfach so geben dürfen. Woah, war ich sauer! Ich wollte dem Kerl am liebsten sowas von in den Arsch zu treten, wenn ich wieder gerade stehen kann! Dann durfte ich rückwärts zählen…

Über 5 Stunden später nahm ich langsam wieder etwas wahr. Ich hörte ein stetiges Piepsen, Stimmen, Gewusel. Sehr unangenehm. Vor allem weil ich es nicht schaffte, meine Augen zu öffnen. Ich dämmerte wieder kurz weg, war dann plötzlich wieder bei Bewusstsein. Nur die Augen spielten nicht so mit. Als ich es schaffte sie zu öffnen stellte ich fest, dass ich im Aufwachraum war. Was wohl mehr so einer Aufwachsammelstelle gleich kam. Ich war viel zu schwach um mich bemerkbar zu machen, wurde aber immer nervöser. Ich wollte dort weg, lieber meine Ruhe haben. Als dann irgendwann ein verschwommener Kopf über mir auftauchte, fragte ich sofort ob ich zu meiner Zweitmama kann. Da ich es auch genau so formulierte, war der gute Mann erstmal irritiert. Ich nuschelte dann noch, dass sie irgendwo da draußen sein müsste. Und schon war ich wieder weg, ständig im Halbschlaf. Eine gefühlte Ewigkeit später wurde ich dann endlich rausgerollt, habe den halben Weg zum Zimmer verschlafen.

Als ich irgendwann wieder die Augen öffnete, stellte ich fest, dass ich nicht allein in dem Zimmer war. Also abgesehen von der Frau meines Vaters. Keine Ahnung wer zuerst da war. Aber wir beide waren noch ziemlich benommen. Umso später es wurde, umso wacher wurde ich. Klar, hatte ja auch den halben Tag verschlafen. Zum Glück ging es meiner Bettnachbarin ähnlich. Etwa bis Mitternacht tauschten wir uns dann noch aus, bestellten uns dann zusammen ein Schlafmittel. Die Nacht war mäßig. Die Brust hat immer wieder recht heftig weh getan. Und die beiden Schläuche neben an der Seite mit den lustigen Flaschen daran nervten. „Sie haben also den Draht durch zwei Schläuche ausgetauscht. Prima!“ dachte ich mir und beschloss sie erstmal zu ignorieren.

Im Gegensatz zu meiner Bettnachbarin ließ ich den Katheter noch drin und konnte so relativ gut schlafen, zumindest ohne aufstehen zu müssen. Sie dagegen war die halbe Nacht auf Wanderschaft, schwankte immer mal wieder zum Klo und zurück, worüber wir uns nach dem Frühstück köstlich amüsierten. Wir waren beide völlig bewegungsunfähig und prosteten uns mit unserem Schmerzsaft zu, als würden wir einen Kurzen kippen. Schmerzen hatten wir dennoch. Es zog mir bis in den rechten Arm rein. Ziemlich unangenehm!

Am Vormittag bekamen wir dann noch unsere Herzkissen, damit wir es uns bequemer machen konnten. Wirklich praktisch die Teile! Wir klemmten sie uns direkt unter den Arm und entschieden uns, uns nicht mehr zu bewegen. Falsch gedacht! Nach dem super ekelhaften Mittagessen dachten wir, wir hören nicht richtig. Da kam doch tatsächlich eine Frau zu uns, die Bewegungsübungen mit uns machen wollte. Wir dachten erst das wäre ein böser Scherz aber die meinte das tatsächlich ernst. Wir ächzten, wir jammerten, wir flehten. Aber wir lachten auch. Wenn auch ein wenig wehleidig.

Der erste Tag „danach“ stellte sich als wirklich geschäftig raus. Am Nachmittag kam eine Frau, die uns unsere Kompressions-BHs brachte. Meine Nachbarin hat sich gar nicht mehr eingekriegt. „Die sind so klein, wie soll denn das Teil Kompression aufbauen? Guck doch mal!“ und zupft an dem engen Top mit breiten Trägern und dem Reißverschluss auf der Vorderseite. Wir haben nur noch gelacht. Ist einem von uns etwas runtergefallen, haben wir beide uns angesehen, als hätten wir etwas fürchterlich schlimmes angestellt, was nie wieder gut zu machen ist: „Neiiiiiin! Ich werde es nie wieder aufheben können“ – „Oh mein Gott! Was hast du getan?!“ – „Warten wir auf eine Schwester die unfreundlich ist, die soll sich bücken!“ – eifriges Nicken.

Damit wir nicht verhungerten, haben wir am Abend bei der Pizzeria bestellt. Die kennen die Klinik schon. Wir hatten dann auch mal Zeit, uns selbst genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit den orangenen Jodrückständen beschloss ich, an dem nahenden Halloween einfach als Kürbis zu gehen. Als meine Nachbarin dann mal wieder zur Toilette wanken wollte, sich vorher noch wie so oft mit ihren Schläuchen verheddert hat, guckt sie mich auf einmal entsetzt an. „Ohoh.“ Ich schaue sie fragend an. „Was hast du getan?“ Wortlos hält sie einen der Schläuche hoch. Allerdings das Ende davon. Das war neu. Und irgendwie nicht so gut. Sonst blieb sie immer nur irgendwie am Bett hängen und quiekte. Ich blinzelte irritiert. „Äh… soll ich mal wen ranklingeln?“ Die Nachbarin nickte „Jup.“ und suchte sich selbst ab um vielleicht einen Hinweis darauf zu finden, wo der Schlauch den nun her ist, den sie in der Hand hält. Zum Glück hat sich das als nicht so schlimm herausgestellt. Sie wurde einfach wieder angestöpselt – woran auch immer, ich habe mir die Augen zugehalten – und alles war wieder gut.

Am Abend schaute der Oberarzt nochmal vorbei. „Ich dachte schon sie hätten mich vergessen!“ donnerte ich ihm entgegen. „Aber wie könnte ich sie denn vergessen? Sie sind doch meine Patientin Nummer Eins!“ Ich lachte. „Und zu wie vielen haben sie das schon gesagt?“ Er überlegte kurz und antwortete dann ernst. „Hrm. Keiner.“ Das ging runter wie Öl. Ich mag ihn. Auch wenn ich wohl nur kurz die Nummer Eins war. Er erklärte mir dass alles super verlaufen ist, es nur schwierig war an die Lymphknoten ranzukommen. Durch die Chemo war das Gewebe schon sehr stark beeinflusst und muss wohl wie verklebt gewesen sein. Sie haben also einen Lymphknäuel aus mir herausgeholt, bei dem erst die Pathologie wirklich sagen konnte, wieviele es überhaupt waren. Er meinte sie hätten nicht wenig Gewebe weggenommen aber er wäre mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Da ich mich weigerte es mir anzusehen, konnte ich dazu noch nicht viel sagen.

Am nächsten Tag war das Ziehen der einen Drainage das Highlight. Oh, was haben wir uns in die Hose gemacht. Dabei hätte ich wetten können, dass meine Nachbarin sich diese, bei ihrer Akrobatik aus dem Bett zu rollen, selbst zieht. Ich musste den einen Schlauch noch behalten, da die Flasche noch zu viel Wundsekret enthielt. Am Mittag kam dann meine Mama vorbei um uns etwas zu essen zu bringen. Muttis Küche ist dann doch einfach das Beste! Natürlich teilte ich mit meiner Leidensgenossin. Aber auch nur weil genug da war. Abends kamen die Mädels von meiner Nachbarin vorbei und brachten uns Burger und Pommes mit! So hangelten wir uns von Tag zu Tag durch um an etwas zu Essen zu kommen, das nicht entweder wegschwimmt, wie Pappe schmeckt oder unklar ist ob das Fleisch jemals wirklich gelebt hat. Ihre Mädels waren super drauf und man hörte unser Gelächter auf der ganzen Station.

Mittlerweile war es dann auch schon so, dass die Schwestern entweder völlig genervt oder lachend aus unserem Zimmer gingen. Die meisten aber lachend. Ja, wir hatten unseren Spaß! Wenn die Schmerzen mal wieder zu groß wurden fragte eine von uns „Ich bestell mir noch was. Für dich auch noch ne Runde?“. Dann klingelten wir und trällerten „Hallooohooo, wir hätten gerne zweimal was gegen die Schmeeerzeeen.“ Ich frage mich ob die Schwestern irgendwann ausknobelten wer zu uns kommen darf/muss.

Am nächsten Tag war Halloween. Jedes Mal wenn die Tür aufging, gröhlten wir „Süßes oder Saures!“. Das kommt besonders gut wenn man gar nicht wirklich fähig ist aufzustehen. Immerhin ist ein Eis dabei rum gekommen. Sonst hat für den Tag der Mann und ein Freund meiner Bettnachbarin unsere Verpflegung übernommen. Da gab es lecker Sandwiches.

Den Tag darauf durfte meine Nachbarin nach Hause. Natürlich freute ich mich für sie, war aber trotzdem ein wenig betrübt, nun alleine auf dem Zimmer bleiben zu müssen. Meine Mama besuchte mich an dem Tag wieder und brachte mir Essen mit. So war ich wenigstens auch nicht völlig alleine. Am Abend wurde sie dann von meiner Schwester und ihrem Mann abgelöst, die nicht nur meinen kleinen Neffen dabei hatten, sondern auch meine Tochter. Auch wenn ich ein wenig Bedenken hatte, wie sie darauf reagieren könnte mich so zu sehen, war es einfach unglaublich toll dass sie da waren. Und ich auch zum ersten Mal meinen Neffen auf dem Arm hatte. Da waren mir die Schmerzen scheißegal! Auch meine Chemoschwester stattete mir einen kurzen Besuch ab.

Am Morgen danach verfrachtete man eine Frau mit Blutungen während der Schwangerschaft auf mein Zimmer. Die Station gegenüber war überfüllt, so dass sie eben auf diese gekommen ist. Ist halt auch die Gyn. Nur anders. Kaum dass ihr Freund gegangen war, konnte sie ganz normal reden, hat gar nicht mehr so viel gejammert. Das war wieder dieses typische Phänomen, wenn man nicht schreit, tut es nicht weh / ist es nicht so schlimm. Zum Kotzen! Würden wir uns alle gegenseitig ernster nehmen, müsste man gar nicht so übertreiben. Wie es ausging habe ich nicht mehr mitbekommen, denn ich durfte endlich Nachhause!

Nun hieß es erstmal auf die Ergebnisse der Pathologie warten und heilen. Körper wie auch Seele. Eine gute Woche später durfte ich dann wieder in der Klinik antanzen um die Ergebnisse zu erfahren und die Wunde betrachten zu lassen. Die Ärzte haben wirklich gute Arbeit geleistet! Nicht nur dass jede Schwester beim Verbandswechsel im Krankenhaus immer wieder meinte wie gut das aussehen würde, so hatten sie auch alles laut Pathologie entfernt. Die Ränder waren frei von Krebszellen oder Verkalkungen. 10 Lymphknoten wurden in dem Knäuel entfernt. Und das Beste: KEINE waren davon (mehr) befallen.

Wenn also nur die Taubheit, die ich seit der OP unter dem rechten Arm hatte das einzige sein würde was bleibt, wäre ich damit überaus zufrieden!

Nächster Halt: Bestrahlung!

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Genetisch oder nicht genetisch – das ist hier die Frage! https://www.herzwende.de/genetisch-oder-nicht-genetisch/ https://www.herzwende.de/genetisch-oder-nicht-genetisch/#respond Sun, 18 Sep 2016 14:47:54 +0000 http://www.herzwende.de/?p=851 Wieder einmal saß ich im Wartezimmer. Doch dieses hier war neu. Eigentlich war es auch kein Wartezimmer. Es war viel mehr eine Reihe mit Stühlen in dem gleichen Raum, in dem sich auch die Anmeldung mit dem langen Tresen befand. Hier war ich noch nie. Doch wollte ich unbedingt noch vor der OP hier her. Heute würde man mir Blut abnehmen um herauszufinden ob die Krebserkrankung genetisch ist.

Sollte es wirklich genetisch sein, würde das für mich heißen mir meine Brust abnehmen zu lassen. Ganz egal ob es Brust erhaltend operabel wäre oder auch nicht. „Sie könnten auch die erste in dieser Kette sein.“ sagte mir meine Lieblingsärztin mit besorgtem Gesicht bei einem meiner vielen Aufenthalte in der Klinik.

Auch in meiner weitläufigeren Familie gab es bereits den einen oder anderen Fall von Krebs, zwei davon mit Brustkrebs. Allerdings in höherem Alter und ohne Chemo behandelbar. Meine Urgroßmutter soll an Krebs gestorben sein. An welchem ist aber nicht wirklich bekannt. Zu dieser Zeit wurden solche Krankheiten noch tot geschwiegen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Als hätten sie irgendetwas verbrochen, dass ausgerechnet sie es bekommen hatten. Bei dem Gedanken daran bin ich jedes Mal wieder froh, dass unsere Forschung schon so weit ist Krebs behandeln zu können. Vor 20 Jahren hätte man mir nach der Diagnose wohl direkt die Brust abgenommen ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hätte nicht die Wahl gehabt.

So beruhigte ich mich selbst, indem ich mir sagte, dass die Forschung in ein paar Jahren noch weiter sein würde. Vielleicht gibt es dann schon schonendere Therapien um diesen Mist zu behandeln. Sollte es wirklich genetisch sein, ist das kein Todesurteil! Es ist eine Kampfansage! Und ich würde alles dafür tun, dass ich diesen Kampf gewinne! Auch wenn es mich meine eigentlich gesunde Brust kosten würde.

Nachdem die Ärztin mir das Blut abgenommen hatte, berichtete ich und meine Zweitmama, die mich zu dem Termin begleitete, von allen uns bekannten Krebsfällen in der Familie. Eine sogenannte Stammbaumanalyse. Alleine vom Erzählen her schätzte die Ärztin eine Wahrscheinlichkeit von 30-40% dass es genetisch ist. Sie würde die Angaben aber dennoch durch ein Analysetool jagen. Kurze Zeit später spuckte auch das seine Ergebnisse aus:
Betrachtete man nur meine engere Familie bis zu meinen Großeltern, lag das Ergebnis bei 6%. Ging sie aber weiter, ging es auf 60% Wahrscheinlichkeit für eine genetische Manipulation von BRCA1 oder BRCA2 hoch.

Natürlich ging mir auch durch den Kopf, was das für meine eigene Tochter heißen würde. Dieser Gedanke riss mich in die Tiefe. Wenn ich mir jemanden aus meiner Familie aussuchen müsste, der Chemo, Bestrahlung und den ganzen Kram mitmachen müsste, würde ich immer wieder mich selbst nehmen. Vor allem wenn es um mein Kind geht. Unsere Kinder wollen wir beschützen und von allem Übel der Welt fernhalten. Krebs ist eines der größten davon. Gerade jetzt wo ich am eigenen Leib erfahren habe was so eine Diagnose bedeutet, will ich alles tun, dass es meinem Kind nicht so ergeht. Sollte wirklich herauskommen dass es genetisch ist, würde ich alles dafür tun, dass mein kleiner Sonnenschein regelmäßig untersucht werden würde, wenn es soweit ist dass es ausbrechen kann. Ein fürchterlicher Gedanke.


Die letzte Chemo nach der kleinen Zwischenpause setzte mir dann auch noch allmählich zu. Ich hätte den ganzen Tag nur noch essen können. Da ich bereits 15 kg abgenommen hatte, eigentlich gar nicht so verkehrt. Ich tätschelte mir auch viel am Kopf herum, da bereits der erste Flaum anfing zu wachsen. Ein seltsames Gefühl. Und so weich.

Mein Kreislauf hat sich dennoch aus dem Staub gemacht. Und der Sausack hat tatsächlich fast alle Leukos mit sich genommen. So blieb mir nichts anderes übrig, als auf der Schlafcouch zu liegen, die ich schon seit einigen Monaten mein Bett schimpfte, und mir Serien anzusehen, sollte ich es denn schaffen wach zu bleiben. Mein Körper war ja sowas von am Ende:

Leukozyten: 0,3   (Normal 4 – 11; Weiße Blutkörperchen – Quasi unser Immunsystem)
Erythrozyten: 3,3   (Normal 4 – 5,4; Rote Blutkörperchen – Transportieren den Sauerstoff im Blut)
Hämoglobin: 10,7   (Normal 12 – 16; Roter Blutfarbstoff – Bindet den Sauerstoff im Blut)
Hämatokrit: 31,4   (Normal 37 – 47; Anzahl der roten Blutkörperchen am Blutvolumen)
Thrombozyten: 98   (Normal 130 – 450; Blutplättchen – Zuständig für die Blutgerinnung)

Das war dann auch der Grund, warum die Klink zwei Tage nach Blutabnahme bei mir anrief. Ich sollte bitte nochmal meine Werte checken lassen um zu sehen ob es weiter runter oder wieder nach oben geht. Wäre es nach den Ärzten gegangen, wäre ich ohne Umwege in die Klinik gefahren und hätte mich dort in Quarantäne stecken lassen. Die Ansteckungsgefahr war nun wirklich hoch. Ein einfacher Schnupfen hätte bei mir schnell zu einer ausgewachsenen Lungenentzündung werden können und wäre lebensbedrohlich gewesen.
Ich erklärte dem Arzt, dass wenn ich nun in die Klinik fahre und durch die Pforte gehe, ich in just dem Moment mehr Keimen, Bazillen und Bakterien ausgesetzt wäre als wenn ich mich Daheim einschließe. Damit konnte ich ihn umstimmen. Außerdem würde ich bei mehreren Tagen in der Klinik verhungern bei dem grottenschlechten Essen!

Immerhin zeigte das nächste Blutbild eine Steigerung der Leukos auf 0,5. Ich durfte also bleiben wo ich bin. Sollte aber sofort in die Klinik kommen, sollte ich Fieber kriegen.
Meiner Tochter winkte ich abends nach dem Zähneputzen nur kurz und rief ihr eine Gute Nacht zu. Bevor ich etwas zu essen bekam, musste meine Zweitmama sich immer die Hände desinfizieren ehe sie meinen Teller anfasste und ihn aufs Bett stellte, das zum Glück recht nah an der Tür lag. Es war schon eine Extremsituation. Doch lieber so als wie E.T. in Quarantäne gesteckt zu werden. Zumindest setzte sich dieses Bild belustigender Weise in meinem Kopf so fest.

Nur fünf Tage später verschrieb ich stolz einen Anstieg der Leukos auf 2,8. Willkommen zurück! Und willkommen neuer, kleiner Erdenbürger. An diesem Tag wurde ich Tante eines zuckersüßen Jungens, der tatsächlich mehr Haare auf dem Kopf hatte als ich.
Bei diesen Blutwerten bekam ich sogar von der Klinik grünes Licht, meine Schwester mit dem Kleinen im Krankenhaus besuchen zu dürfen. Jippieh!

Eine knappe Woche und allen bisher veröffentlichen Game of Thrones Folgen später ließ ich mir helfen, wieder in meine eigene Wohnung zu ziehen. Home Sweet Home. Natürlich war ich super dankbar, fünf Monate bei meinem Vater und seiner Frau zusammen mit der Kleinen wohnen zu dürfen aber in den eigenen vier Wänden zurück zu sein war schon grandios. Nicht nur dass ich nun auch wieder abends mit meinen Leuten im Teamspeak in normaler Lautstärke reden und lachen konnte ohne jemanden zu wecken, sondern auch ein Stück weit Normalität wieder zu erlangen war einfach nur toll. Ich freute mich tierisch auf die erste Nacht in meinem neuen Bett, das mir meine Mama gesponsort hatte.

Besonders irritierend war der früh morgendlichen Zusammenbruch meines Kleiderschranks. Ja, richtig gelesen. Als ich damals in diese Wohnung gezogen bin, habe ich mich von meinen Schlafzimmermöbeln verabschiedet, die ich schon seit meiner Jugend besaß, als ich noch bei meiner Mutter wohnte. Ich schlief seit zwei Jahren schon nur auf einem Lattenrost mit Matratzen, baute mir aus Kartons einen Kleiderschrank und kaufte wenigstens einen Reisekleiderschrank für alles was auf Bügel gehängt werden sollte. Und genau jener brach in der ersten Nacht lautstark zusammen. Ich war nach dem Umzug nicht einmal fähig meine Klamotten auszuräumen, da die Packerei und Schlepperei doch sehr anstrengend war. Ich rührte das Teil nicht einmal an. Und dennoch ging es ausgerechnet in der ersten Nacht in die Knie. Vermutlich war er einfach geknickt, dass er nicht auch ausgetauscht wurde. Geknickt im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Glück erklärte sich die weltbeste Arbeitskollegin bereit ihren Mann dazu zu zwingen mit uns einen neuen Schrank zu kaufen. Hej Ikea!

Dann war es auch endlich soweit, dass der langersehnte Beischeid des Humangenetischen Instituts kam: Negativ!
Ich jubelte, hüpfte und freute mich dermaßen über diese Nachricht. Hoffnung, dass der Mist nicht immer wieder kommen würde, egal was ich mache. Keine Sorgen mehr darüber machen, dass ich meiner Tochter die selbe Erkrankung in die Wiege gelegt habe und Freude, dass mir meine Tittis erhalten bleiben würden – sofern die Ärzte eben erhaltend operieren könnten. Natürlich sind noch nicht alle Gene erforscht, die an Krebserkrankungen beteiligt sein könnten. Aber wenigstens diese zwei bekannten konnte ich nun ausschließen!

Meine neuen Wimpern

An diesem Tag entdeckte ich dann auch die ersten kleinen Wimpern. Biestige Dinger! Hin und wieder juckte es an den Lidern und wenn man rieb, pieksten die kurzen Härchen einen genau ins Auge. Aber hey… die dürfen das!
Sie wachsen wieder.

Alles wird wieder gut.

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Wir sind immer noch wir – nur anders! https://www.herzwende.de/wir-sind-immer-noch-wir-nur-anders/ https://www.herzwende.de/wir-sind-immer-noch-wir-nur-anders/#comments Fri, 09 Sep 2016 12:49:41 +0000 http://www.herzwende.de/?p=839 Diesmal schneide ich eines der Themen an, das mich selbst heute, ein Jahr nach der Chemo noch beschäftigt. Der Umgang mit Krebserkrankten im Freundeskreis bzw. der Familie. Immer wieder stellen mir Leidensgenossen die selbe Frage: „Meine Freunde ziehen sich zurück oder behandeln mich seltsam. Ging es dir auch so?“ Meine Antwort ist: Ja!
Daher nehme ich das Thema nun einmal unter die Lupe und versuche euch den einen oder anderen Tipp oder Denkanstoß zu geben, wie ihr als Außenstehende uns Betroffene vielleicht besser verstehen könnt. Und andersrum.

Beginnen wir mit der…

Diagnose

Erhält man die Diagnose Krebs, hört die Welt plötzlich auf sich zu drehen und die eigene Illusion der Unsterblichkeit zerplatzt wie eine Seifenblase. Schockstarre, Überforderung, Angst! Wer schon mal einen Autounfall oder ein ähnliches unschönes Erlebnis hatte, weiß wie sich der Moment anfühlt, in dem das Auto beginnt sich um die eigene Achse zu drehen. In Millisekunden realisierst du, dass du entweder Glück hast, nirgends gegen knallst und kein anderes Auto in dich reinrauscht oder dass diese Herzschläge deine letzten sein werden. Für mich hielt genau dieses betäubende Gefühl nach der Diagnose über mehrere Tage an. Mal mehr, mal weniger. Aber immer präsent. Ja, so eine Nachricht würde ich als Nahtoterfahrung bezeichnen. Dazu noch die Ungewissheit, die einen innerlich auffrisst, da man eben nicht weiß ob es schon gestreut hat oder nicht. Heute würde ich behaupten, dass das die übelste Zeit war.

Und dann sind da noch unsere Mitmenschen, unsere engsten Vertrauten, die Familie. Auch bei ihnen kommen Ängste hoch, einen geliebten Menschen verlieren zu können. Und das schlimmste: Sie müssen machtlos daneben stehen und können nichts für einen tun, was lebensrettend sein könnte. Alle Menschen gehen anders mit ihren Ängsten um. Manche reden, andere recherchieren und nochmal andere ziehen sich zurück, igeln sich ein. Gerade bei Partnern habe ich oft mitbekommen, wie sie Reißaus nehmen sowie das Thema Krebs aufkommt. Sie halten es einfach nicht aus, damit konfrontiert zu werden. Aus purer Angst sie könnten diesen einen Menschen, der ihnen so wichtig ist, verlieren.

Außenstehenden möchte ich sagen, dass wir Betroffenen zu diesem Zeitpunkt nicht die Kraft haben euch zu trösten. Auch wenn wir gern würden. Aber jetzt geht es um uns und unseren Kampfgeist. Und was den angeht, könnt ihr tatsächlich etwas tun! Ihr müsst nicht völlig machtlos daneben stehen! Ihr könnt uns in dem Kampf unterstützen, uns sagen dass alles wieder gut wird, weil wir zusammen kämpfen werden! Weil aufzugeben nicht in Frage kommt. Ihr könnt uns in den Arm nehmen und uns heulen lassen. Vielleicht sogar mit euch zusammen. Ihr könnt uns zu Arztbesuchen begleiten oder noch besser: Uns hinfahren. Ihr könnt uns bei der Vorbereitung auf die Chemo helfen, zusammen mit uns eine fesche Kurzhaarfrisur aussuchen und zum Frisör jagen oder wenn die Zeit gekommen ist, den Haarschneider zücken und euch an unserem Kopf austoben. Bringt uns zum Lachen. Gebt uns ein wenig Leichtigkeit zurück. Das wichtigste beim Kampf gegen den Krebs ist die Lebens- und Kampfeinstellung, sich selbst nicht aufzugeben. Helft uns dabei!

Betroffenen möchte ich sagen, dass es immer wieder Menschen geben wird, die keinen Weg finden damit umzugehen. Vielleicht haben sie selbst in der Familie oder dem Freundeskreis eine ähnliche Situation gehabt und haben so ihre Vorgeschichte. Oder genau das Gegenteil ist der Fall und sie wurden mit so ernsten Krankheiten nie konfrontiert, sind überfordert, wissen nicht was sie sagen sollen. Nehmt es ihnen nicht übel. Sie ziehen sich zurück weil sie euch nicht verletzen wollen oder vielleicht alte Wunden aufgerissen wurden. Vielleicht kann man nach durchstandener Behandlung in Ruhe darüber reden. Zumindest sollte man bis dahin den nötigen Abstand dazu haben. Oder aber ihr versucht ihnen zu erklären, was ihr euch wünscht. Sagt ihnen frei raus, wie sie mit euch umgehen sollen. Alleine dadurch könnt ihr ihnen so viel Scheu nehmen. Eventuell verraten sie euch dann sogar wo genau ihr Problem liegt oder denken zumindest selbst darüber nach.

Besonders schön zu beobachten fand ich, dass manche Leute, mit denen man eigentlich gar nicht gerechnet hat, plötzlich für einen da waren.

 

Gesprächsthemen / Aktivitäten

Natürlich dreht sich für einige Krebsler erstmal alles um den Krebs. Immer wieder driften Gespräche mit uns auf das Thema ab, bis es euch vielleicht schon zum Hals raushängt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir uns in den Mittelpunkt bringen wollen. Es ist vielmehr so, dass wir uns zum Einen einfach damit auseinandersetzen müssen, damit wir diesen heftigen Lebenseinschnitt irgendwann verarbeiten können und zum Anderen, dass sich für uns manche Ansichten durch die Krankheit ändern. Wir achten zum Beispiel plötzlich mehr auf unsere Ernährung, durchforsten unseren Badezimmerschrank nach fragwürdiger Drogerie oder versuchen uns durch viel mehr Sport fitter zu halten. Wir erachten diese Dinge, die uns vorher vielleicht egal(er) waren nun als super wichtig. Oftmals suchen wir nach Gründen. Dem „Warum ich?“. Diese Dinge geben uns das Gefühl, wir könnten verhindern dass wir das alles nochmal durchstehen müssen. Und wenn es uns doch nochmal erwischt können wir wenigstens sagen, wir haben alles dafür getan dass es nicht wieder passiert. Und wenn wir euch davon vollblubbern, dann tun wir das nur, weil uns etwas an euch liegt und auf gar keinen Fall wollen, dass ihr ähnliches durchmachen müsst.

Natürlich gibt es auch das andere extrem (hab ich gehört). Manche Krebskranke meiden das Thema, wollen am liebsten gar nichts davon wissen. Zwingt sie nicht. Wenn sie es so sehr ignorieren, halten sie eine Konfrontation vielleicht einfach nicht aus. In dem Fall hilft Ablenkung. Unternehmt etwas (soweit möglich) oder zieht euch einfach nur einen schönen Film rein, redet über die Dinge, die vorher auch eure Themen waren.

Leben und leben lassen.

Interessant finde ich immer die Leute, die versuchen ihre Anteilnahme auszudrücken, indem sie von anderen Leuten erzählen, die Krebs haben oder hatten. Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen, von wie vielen anderen Krebsfällen mir schon erzählt wurden, bei denen ich nicht mal im entferntesten wusste um wen es geht. Besonders lustig wird es wenn ihnen dann im Gespräch einfällt, dass besagte Person ja gestorben ist. Genau das was wir hören wollen. Diese Erzählungen halten einem Betroffenem immer wieder vor Augen, wie heftig Krebs ist. Dass man quasi gerade noch so von Messers Schneide gehüpft ist. Nicht wirklich schön. Manchmal haben Betroffene auch Momente, in denen sie auf sowas wirklich gar nicht klar kommen. Da kann man mit so einer Erzählung schon mal eine kleine Panikattacke auslösen. Daher mein Rat, mit solchen Erzählungen lieber vorsichtig zu sein. Lieber vorher mal sachte abklopfen, wie gefestigt der Krebspatient vor euch ist.

Stattdessen könnt ihr euer Interesse zum Beispiel damit zeigen, dass ihr einfach mal fragt, wie es uns mit der Chemo so geht. Die Nebenwirkungen einer solchen können wirklich extrem unterschiedlich sein. Ihr könnt uns auch fragen wann wir denn mit allem fertig sind, ob wir schon Pläne für danach haben und und und. Die Krebsler die ich kennengelernt habe sind wirklich aufgeschlossen und hatten keinerlei Probleme damit über ihre eigene Geschichte zu berichten. Im Gegenteil. Da kommen wir wieder zum Thema Auseinandersetzung und Verarbeitung.

 

Nach der Behandlung

Nach erfolgreicher OP, Chemo und/oder Bestrahlung geht scheinbar die ganze Welt davon aus, dass wir wieder funktionieren wie zuvor. Vor allem wir selbst. Es war ein ziemlich harter Schlag für mich zu sehen, wie langsam sich der Körper und auch die Seele regeneriert. Kopfmäßig sind wir noch voll bei der Zeit von vor der Diagnose und erwarten dass nun schnellstmöglich wieder alles so läuft wie damals. Auf einmal stehen wir aber am Fuß der Treppe, schauen nach oben und stellen fest dass wir nicht mehr die Kraft haben, bis ganz nach oben zu gehen. Sie ist einfach nicht da. Es ist aber doch nur eine Treppe. Und vorher ging es doch auch. …Jetzt aber nicht mehr. Ich weiß gar nicht wie ich das Gefühl beschreiben soll. Wir fühlen uns kraftlos, genervt und frustriert. Manchmal auch unnütz. Wir wollten doch nach dem ganzen Mist wieder so richtig durchstarten und das Leben genießen und jetzt schaffen wir es nicht einmal ein Stockwerk ohne Schnappatmung zu erklimmen. Und das zuzugeben ist auch nochmal so ein Thema für sich. Auch wenn wir unsere Haare und zum Teil Gewebe verloren haben, so ist unser Stolz noch da. Wir sehen auch nicht mehr so fertig aus wie zur Chemozeit. Fühlen uns aber kaum besser.

Und da wird es dann auch für unsere Mitmenschen echt schwer. Wir gaukeln ihnen vor dass es uns super geht, weil wir ja so tolle Kämpfer sind. Dabei betteln wir schon innerlich endlich wieder auf die Couch fallen zu können, ignorieren die Gelenkschmerzen und sind froh wenn wir uns am nächsten Tag überhaupt noch an ein Gespräch erinnern können. Dazu dann noch diese stetigen Ängste eines Rezidivs. Während der Behandlung wurden wir engmaschig untersucht, durch jede Etappe ärztlich begleitet und beraten. Und jetzt sind wir plötzlich auf uns allein gestellt. Vor jedem Nachsorgetermin werden wir nervöser, vielleicht sogar leichter reizbar. Wir gehen auf dem Zahnfleisch und sind das reinste Nervenbündel bis wir endlich die erlösende Nachricht erhalten, dass alles in bester Ordnung ist. Aber nach außen sind wir wieder die Alten, nur mit kürzeren Haaren.

Daher ist meine Bitte an alle Außenstehende Nachsicht und Verständnis zu zeigen. Fordert nicht so viel von uns ab, das machen wir schon selbst. Nehmt es uns nicht übel, wenn wir etwas vergessen, ein Treffen absagen oder unsere Wohnung aussieht als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die Chemo hat auf jede Zelle unseres Körpers geschlagen. Und unser ganzer Körper besteht aus Zellen. Gebt uns bitte Zeit um uns zu erholen. Vor allem wir selbst sollten das tun! Dann bleibt der Haushalt eben mal liegen. Dann gehe ich eben statt dreimal die Woche erstmal nur einmal die Woche zum Sport. Macht es euch nicht selbst schwerer als es sein müsste. Findet das für euch passende Maß, um voran und zu eurem alten Elan zurück zu kommen.

 

Schlusswort

Natürlich ist das hier keine generelle Gebrauchsanweisung für Krebskranke. Es soll viel mehr eine Anregung sein, besser mit dem Thema umgehen zu können. Aber im Endeffekt liegt man mit Offenheit und Ehrlichkeit immer richtig. Wenn ihr gar nicht wisst wie ihr mit einer Person umgehen sollt, fragt sie wie sie es gern hätte. Das klappt übrigens in beide Richtungen.
Wir sind immernoch wir – nur anders.

 

Bis dahin… wir sprechen uns! 😉

 

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Chemo – die Neunte! – Gut Ding will Weile haben https://www.herzwende.de/chemo-die-neunte-gut-ding-will-weile-haben/ https://www.herzwende.de/chemo-die-neunte-gut-ding-will-weile-haben/#respond Sat, 20 Aug 2016 10:24:56 +0000 http://www.herzwende.de/?p=821 Es war ein seltsames Gefühl, der Gedanke ein letztes Mal in dem Wartezimmer zu sitzen. Neben den normalen Stühlen hatten sie richtig schöne Drehsessel hinzugefügt. Dort saß ich immer am liebsten. Sie haben etwas schützendes, einkuschelndes. Gerade an einem sonst so kalt wirkenden Ort wie einem Krankenhaus. Sollte das wirklich das letzte Mal hier sein? Jeden Moment würde ich es herausfinden. 

Ich ließ nochmal den gestrigen Tag Revue passieren. Ich hatte das Angebot der DKMS angenommen, einen Schminkkurs mitzumachen. Da die Augenbrauen immer dünner, die Ränder unter den Augen dagegen immer dicker wurden, nahm ich kurzerhand teil. So schlecht wie es mir laut meinen Blutwerten gehen sollte, ging es mir gar nicht. Ich fuhr zusammen mit meiner Chemoschwester in die Klinik. Schon alleine die Hinfahrt war irre lustig. Wir hatten wie immer viel Spaß zusammen.

Wir saßen dann also in U-Form, wie in der Schule an unseren Tischen, als meine Chemosschwester demonstrierte, wie sie sich ein Tuch auf den Kopf legt wenn sie vor einem Spiegel ist, da sie sich selbst gar nicht mit Glatze ertragen kann.
Neben mir saß eine Frau in meinem Alter. Das war wirklich selten, wie ich in den letzten Wochen erfahren durfte. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, tauschten kurz die üblichen Infos aus von wegen „Welche Chemo bekommst du?“ oder „Was hattest du für eine OP?“ nur dass dieses Mal auch die Frage dazu kam „Und wie alt sind deine Kinder?“.

Nach dem Schminkkurs der DKMS.

Leute die mich kennen, wissen dass ich dazu neige, ernste Dinge ins Lächerliche zu ziehen. Warum also sollte ich hier eine Ausnahme machen? Als wir die Taschen der DKMS bekamen, in denen sich die ganzen Artikel befanden die wir behalten durften, musste ich lauthals lachen als ich tatsächlich Shampoo auspackte. Meinte auch direkt „Das ist ein Scherz von euch, oder?“ Zack! Überrollt! Die Kosmetikerin rettete sich indem sie sagte dass wir ja irgendwann später wieder Haare haben würden. Als sie nach einigen wirklich tollen Tipps dann aber sagte „Wer möchte kann sich auch noch die Wimpern tuschen.“ lag ich vor lachen am Boden. „Welche denn?!“ gröhlte ich in den Raum und hatte damit die Lacher auf meiner Seite. „Die letzten drei überlebenden?“ Ich hatte Angst dass die jämmerlichen Überreste meiner Wimpern es als Angriff sehen könnten, sich ergeben würden indem sie auch noch ausfallen. Ich verzichtete auf das Tuschen. Die anderen auch. War das ein Spaß!

Während ich so vor mich hin schmunzelte, kam die Ärztin mit ernster Miene ins Wartezimmer. Sie teilte mir mit, dass meine Werte so schlecht seien, dass ich eine Bluttransfusion bekommen müsste. Mir ging es durch die gefühlte zehnte Erkältung die sich ankündigte nicht wirklich so gut aber ich konnte mich doch einigermaßen auf den Beinen halten. Ein Tag zuvor war ich auch wieder bei der Heilpraktikerin. Diese meinte ich hätte einen niedrigen Zuckerwert und sollte mal Schokolade essen. Da dachte ich schon ich wäre im Himmel! Aber nicht dass es so schlecht um mein Blut steht.

Ich lehnt die Transfusion ab und wurde dafür angeguckt wie ein Auto. Ich entschied einfach aus dem Bauch heraus. Das Alien war weg und ich hätte am liebsten ganz auf den letzten Chemiecocktail verzichtet. Ich sprach die Ärztin auf die Risiken einer Transfusion an. Sie gab zu dass es passieren kann, dass damit Krankheiten übertragen werden können, die erst in 20 Jahren auftreten. Ich bin aber keine 80, so dass mir das egal sein könnte. Ich wurde gerade erst 33 und wollte verdammt nochmal älter als 50 werden! Die Ärztin meinte wir könnten heute die Transfusion machen, so könnte ich direkt morgen die Chemo bekommen. Doch ich blieb mit meinem Dickschädel bei meiner Meinung und fragte nach Alternativen. Sie erklärte dass es eine Spritze geben würde, die die roten Blutkörperchen pushen kann. Sie dürfen sie allerdings nicht verabreichen. Ich könnte es über meinen Frauen- oder Hausarzt versuchen. Da ich ja bereits wusste, wie ablehnend sich mein Frauenarzt verhält wenn ich Medikamente brauchte, gab ich ihr die Telefonnummer meiner Hausärztin. Als sie von dem Telefonat zurück kam, lächelte sie. „Sie übernimmt die Spritze. Sie hat ohne zu zögern eingewilligt.“ Wow. Ich hatte wirklich eine tolle Ärztin. Da ich ja auch die Blutabnahmen immer über den Frauenarzt machte, aus Angst ich könnte mich bei meiner Hausärztin im Wartezimmer schneller anstecken, hatte ich sie bisher nie wirklich involviert.

Es erfolgte noch eine Untersuchung, da ich auf dem Klo öfter mal Blut entdeckte. Ich merkte wirklich mehr und mehr, wie mein ganzer Körper unter der Chemie litt. Zum Glück stellten sie nur Fissuren (Einrisse der Schleimhaut) fest, was für mich eine große Erleichterung war.

Mit einem Rezept für Eisentabletten bewaffnet ging es dann vom Krankenhaus direkt weiter zur Hausärztin, von der Hausärztin zur Apotheke und wieder zurück. Als die von mir deklarierte weltbeste Ärztin die 1500€-Spritze an meinem Bauch ansetzte, erklärte sie mir, dass Radsportler sich das Zeug (Aranesp) oftmals spritzen, um mehr Power zu haben. So wurde ich ganz offiziell gedopt! Am nächsten Tag merkte ich schon, dass ich viel fitter war. Mir wurde nicht mehr so schnell schummerig und ich konnte mich länger auf den Beinen halten. Lebensqualität!

Den Montag darauf durfte ich dann wieder in der Klinik antanzen. Im Gegensatz zu den vorherigen Wochen fühlte ich mich als könnte ich Bäume ausreißen. Scheinbar hatte jedoch in der Klinik irgendjemand Kabel ausgerissen. Die Computer streikten. Also dümpelte ich mal wieder im Wartezimmer herum und wartete dass ich mich überhaupt anmelden konnte.

Als ich mir Wasser auf dem Flur holen wollte, fiel mir dann eine junge, hübsche Frau, etwa in meinem Alter auf. Sie hatte einen Mann – ihren Freund dabei. Plötzlich schieß es mir durch den Kopf, dass es doch schön wäre, wenn wir gemeinsam auf einem Zimmer landeten. Ich war zwar eigentlich Dienstagspatientin, bekam die von Montag aber oft noch mit, weil ja alle hier über Nacht blieben. Diese Frau hatte ich aber zuvor nie gesehen. Sie sah unsicher aus. Als hätte sie Angst.

Nach stundenlanger Warterei wurde ich dann auf mein Zimmer gebracht. Ich hatte mich gerade soweit eingerichtet als die Tür aufging und die besagte Frau rein kam. Yes! Es stellte sich dann heraus, dass sie tatsächlich die erste Chemo bekam. Ich mischte mich einfach dreist in das Gespräch mit ihrer Mutter ein, die sie ebenfalls begleitete. Und es gelang mir tatsächlich ihr ein wenig die Angst zu nehmen. Ich antwortete auf alle Fragen die sie hatte ganz ehrlich. Was würde es auch bringen alles zu verschönern? Sie würde so oder so merken wie es ist eine Chemo zu bekommen. Natürlich stellt man schon den Ärzten viele Fragen aber es ist trotzdem etwas anderes es von jemandem zu hören, der das alles schon erlebt hat. Und das am eigenen Körper.

Wir waren sofort auf einer Wellenlänge und ich empfand es irgendwie als einen gelungenen Abschluss. Die junge Frau freute sich zu sehen, dass man auch bei der letzten Chemo noch ein paar, wenn auch dünne Augenbrauen haben kann und konnte durch meine Schilderungen ein wenig Mut schöpfen. Für mich war es genauso toll ihr das geben zu können wie für sie es zu bekommen. Zudem tat sie etwas, was mir irgendwie nie eingefallen war. Sie verschönerte unser Zimmer. Eine Freundin von ihr hat eine rosane Wimpelkette mit Mut machenden Sprüchen beschriftet. Diese hing dann quer über der Wand, an die wir beide schauen konnten. An dem Griff am Bett zum Hochziehen hängte sie ein kleines Herz und auch in ihrem Bett landeten farbenfrohe Kissen. Es war gleich viel gemütlicher, wärmer. Als ihre Tante zu Besuch kam, hat sie sogar mir ein paar Blümchen mitgebracht. Eine wirklich angenehme, liebe Familie.

Meine Gedanken fingen nun an, sich um die anstehende OP zu kreisen. Schließlich war das nun der nächste Schritt. Ich erfuhr dass erst nochmal in etwa 4 Wochen ein Nach-Staging stattfinden würde und dass ich mit circa einer Woche Klinikaufenthalt rechnen musste. Das schlimmste von allem war der Gedanken daran, dass ich wohl eine Woche lang hungern müsste, da das Essen wirklich grausig war. Also wirklich wirklich grausig.

Die Nacht war mal wieder der Horror. Gegen 4 Uhr nachts ertönte plötzlich ein verdammt lautes Brummen, das wohl die komplette Station weckte. Die Schwester ging von Tür zu Tür doch bevor sie komplett durch war, war es auch schon wieder vorbei. Was es genau war, durften wir nicht mehr herausfinden. Zu grübeln hatte ich aber genug Zeit. Schlafen konnte ich nach dem Schreck nämlich nicht mehr.

Am nächsten Morgen tauschte ich noch mit der Frau die Telefonnummern aus. Mir kam dann auch die Idee, einfach noch eine Whatsapp-Gruppe zu machen. Die Frau die ich bei dem Schminkkurs kennenlernte war so froh endlich mal jemanden in ihrem Alter zu finden. Wir ticken halt schon ein wenig anders als die älteren und haben zum Teil ganz andere Dinge die uns beschäftigen. Also gründeten wir kurzerhand unsere „Chemo Mädels“-Gruppe.

Nachdem die 24-Stunden Blasenschutz Infusion durch war, durfte ich nach Hause. Dort ist dann auch recht schnell mein Kreislauf mit meinen letzten Wimpern durchgebrannt. Der olle Schweinehund!

Es hieß ein letztes Mal die Nachwehen der Chemo zu bewältigen. Das sollte ja wohl noch drin sein! Ich hatte es tatsächlich geschafft und es kam mir vor als wäre mein Wunsch in Erfüllung gegangen. Der, dass diese ätzende Zeit möglichst schnell rumgeht.

 

 

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Chemo – die Achte! – Kämpfen und Siegen! https://www.herzwende.de/kaempfenundsiegen/ https://www.herzwende.de/kaempfenundsiegen/#respond Sat, 11 Jun 2016 11:53:13 +0000 http://www.herzwende.de/?p=285 Wow! Diesmal bekam ich die luxuriöse Einzelzelle für Privatversicherte. Vermutlich waren alle anderen belegt oder die Schwestern hatten Mitleid mit mir, dass ich nach der netten Gesellschaft die letzten Male nun alleine war. Mir graute es ein wenig davor, mal wieder mit meinen Gedanken alleine sein zu müssen. Aber das Zimmer war toll. Größer, mehr Schränke, eine Schreibfläche, bequemere Stühle, größeres Bad und nur ein Bett. Als ich aber besagtes höherwertiges Bad betrat, musste ich lachen. Da lag doch allen ernstes ein Fön! Für welche Haare denn bitte?

Kaum dass ich mich eingerichtet und den Minikühlschrank entdeckt hatte, durfte ich auch schon zum Ultraschall des Bauches gehen. Darauf hatte ich bestanden, nachdem ich ein seltsames Druckgefühl im Oberbauch hatte. Als ich dann so auf der Liege lag, neben mir das Ultraschallgerät und zwei attraktive junge Ärzte, einer mit seiner Hand auf meinem Bauch, wurde mir erstmal bewusst, wie lange mich schon kein Mann mehr anfasste. Ich schob den Gedanken schnell wieder zur Seite und konzentrierte mich auf den eigentlichen Grund dieser Berührung. Beide Männer schauten konzentriert auf den Monitor. Vier hübsche Augen sehen mehr als zwei. Wah! Bleib bei der Sache!

Beide waren sie sich einig, dass alles bestens sei. Da konnte ich erstmal durchatmen. Meine größte Angst war, dass sich trotz Chemo Metastasen gebildet hätten. Mein Kopf wusste eigentlich dass das sowas von unmöglich war. Zumal die Chemo doch auch super anschlug. Aber die Angst packte mich und ließ mich einfach nicht mehr los, egal was ich ihr einreden wollte. Also waren es wohl doch die Schleimhäute des Magens, die da etwas abbekommen haben und nun murrten, zwickten und rumorten. Damit konnte ich leben. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Erleichtert und zurück auf dem Zimmer wollte ich es mir erstmal bequem machen. Irgendwie war es in der Klinik immer das gleiche. Die Frauen die sonst Perücken trugen, liefen mit Mützen oder „oben ohne“ rum. Viele schlüpften von ihren Kostümchen oder dem lässigen Jeans-Outfit in ihre Wohlfühlkuschelsachen. Man war unter sich und wusste, man würde nicht verurteilt werden. Und wenn doch war es ja ohnehin egal. In der Regel läuft man sich ja dann nicht mehr wirklich über den Weg. Und wenn doch, hatte der andere schließlich auch seine Gammelklamotten damals an. Zumindest ab dem zweiten oder dritten Besuch.

Nur hatte ich diesmal blöderweise meine Hose vergessen. Ein Glück hatte ich die Luxuszelle mit einem Bad, bei dem ich nicht vorher auf den Flur gehen musste, um es zu betreten. Trotzdem war meine Zweitmama so lieb mir meine Hose zu bringen. Und wenn sie schon dabei ist, auch meinen Laptop. So ganz alleine war es schon ganz schön wenn ich ein wenig Beschäftigung hatte.

Die Infusion des Cyclophosphamid verlief völlig problemlos. Das Gespräch mit dem Arzt ebenfalls. Er war so lieb sich nochmal zu erkundigen, ob es denn auch jetzt noch eine Möglichkeit geben würde, dass man meine Chance auf ein weiteres Kind erhöhen könnte. Leider war das nicht der Fall. Ich hatte bereits damit gerechnet, daher haute es mich nicht wirklich um.

Ein kleines Highlight war die Musiktherapeutin. Genau die, die damals bei dem allergischen Schock so super reagierte. Sie kam mit ihrem Wagen voller außergewöhnlichen Instrumenten ins Zimmer. Da ich total unschlüssig war was ich hören wollte, führte sie mir kurzerhand alle vor. Das eine oder andere durfte ich dann sogar mal selbst zupfen. Das Teil das aussieht wie eine Trommel mit vielen kleinen Metallperlen darin hatte es mir am meisten angetan. Es klang wie Wind. Je nachdem wie schnell oder langsam ich es bewegte, war es stürmischer oder windstiller. Es klang wie das Windrauschen an einer Küste. Da wäre ich jetzt gern.

Die Nacht dagegen war der reinste Horror. Ich wachte auf und musste sowas von dringend aufs Klo, dass ich schon befürchtete mich in meinem Bett zu entleeren. Durchfall. So ein Scheiß!
Als ich mich wieder von der Toilette in Richtung Bett traute, eine Schwester per Drücker um ein Mittel gegen Durchfall gebeten hatte und erstmal nur sitzen blieb und ans Fußende schaute, hab ich mich erstmal so richtig erschreckt. Da krabbelte doch tatsächlich eine Spinne in mein Bett! Ich hasse Spinnen! Nein! Ich hasse alle Insekten außer Marienkäfer! Zumindest wenn sie in meiner Nähe sind.
Ich zog schnell die Decke weg, damit sie ja nicht darunter huschen kann. Scheinbar hat sie sich dann genauso erschreckt wie ich. Sie eilte weg. Na super. Da liegt man in dem Bett und weiß, da krabbelt eine Spinne herum, die einen jederzeit wieder aufsuchen könnte.

Als die Schwester rein kam und mir das Zeug gegen Durchfall gab, flehte ich sie an, doch mal zu schauen ob sie irgendwo an meinem Bett eine Spinne sieht. Mit laufender Infusion, quasi voll verkabelt, kann man leider nicht so ums Bett springen, wie ich es am liebsten getan hätte. Meine Heldin! Die Spinne wurde zum Opfer ihrer flinken Birkenstockschuhe. Sie hat sie tatsächlich gefunden und gnadenlos eliminiert.

Wach war ich trotzdem. Also tickerte ich einfach mal in meine Aliengruppe und siehe da! Es waren tatsächlich um kurz vor 4 in der Nacht Leute wach. Vermutlich durch das Piepsen ihres Handys aber das ist ja Nebensache. Ich witzelte dass ich ja mal überlegen könnte wen ich anrufe und frage ob er auch nicht schlafen kann. Gerade unter der Woche freut man sich ja ganz innig über solche Aktionen. Da ich aber die Rache fürchtete, entschied ich mich dazu meine Haare auf dem Kopf statt Schäfchen zu zählen. Das eine oder andere Flaumhärchen war ja schließlich da.

Wenigstens 3 Stunden konnte ich schlafen, bis die Schwestern mit dem Blutdruckgerät und dem Fieberthermometer anfingen zu winken. Blutdruck und Kreislauf waren wohl zusammen durchgebrannt. Ich hoffte sie würden sich bald mal wieder blicken lassen und mir ein Päckchen Energie mitbringen.

Ich lies mir wieder etwas gegen die Übelkeit geben und ging anschließend runter ins Brustzentrum. Es wurde ja noch kein Ultraschall der Brust gemacht. Das wollte ich unbedingt nachholen. Gerade als wir im Behandlungszimmer waren und anfangen wollten, klingelte das Telefon. Eine Geburt ging los und die Ärztin musste weg. Also gut. Wieder hoch aufs Zimmer und weiter warten.

Am Nachmittag war es dann soweit. Der Oberarzt selbst übernahm die Sonografie. Da er aber auch von meinen Befürchtungen der Unfruchtbarkeit erfahren hatte, nahm er sich die Zeit, nochmal in aller Ruhe mit mir darüber zu reden. Er erklärte mir dass die Krankenkassen in der Regel eine (Teil-) Entnahme der Eierstöcke und ein späteres Wiedereinsetzen nicht übernimmt. Ich hätte es selbst zahlen können doch von welchem Geld? So viel hatte ich nicht und hätte ich auch nicht aufbringen können. Dafür dass nur die Chancen erhöht waren. Es gab keine Garantie, dass es wirklich etwas bringen würde. Zudem war der Tumor ja schnellwachsend und aggressiv. Es wären Wochen ins Land gegangen bis wir mit der Chemo hätten anfangen können. Das wiederum hätte mich vielleicht das Leben kosten können. Ein Risiko dass ich ohnehin nicht eingegangen wäre. Zu dem Mittel dass vor Chemo gespritzt wird meinte er, dass es umstritten ist ob es wirklich wirkt oder auch nicht. Einige Tests haben bisher gezeigt, dass es unbedeutend mehr Eizellen waren, die erhalten blieben. Natürlich würden einige unter der Chemo absterben, in den seltensten Fällen aber wirklich alle. Und wir Frauen haben ja ohnehin im Normalfall mehr als wir im Laufe unseres Lebens verballern. Damit waren die Vorwürfe den Ärzten gegenüber für mich durch. Jetzt musste ich nur noch lernen damit zu leben. Mal wieder Geduld aufbringen und schauen wie mein Körper und vor allem meine Eierstöcke die Chemo so überstehen. Die Zeit wird es zeigen.

Nachdem alle offenen Fragen geklärt waren und ich wieder volles Vertrauen in meine ärztliche Betreuung geschlossen hatte, machte er den Ultraschall. Er fuhr mit der Sonde über meine Brust, drückte hier und da ein wenig, fing von vorne an. Er runzelte die Stirn. Ich schaute nur noch zwischen Monitor und Oberarzt hin und her. „Stimmt etwas nicht?“ fragte ich. „Naja, wie man es sieht. Ich finde den Tumor nicht.“ Hä? Versteckte sich das Mistding jetzt auch noch vor uns? Der große schlanke Mann ging zu meiner Akte und schaute nochmal auf die vorherigen Bilder, dann kam er wieder zurück und suchte erneut. „Alles was ich noch finden kann ist ein wenig vernarbtes Gewebe. Schauen sie mal da.“ Er deutete auf einen kleinen Fleck, den man nur so erahnen konnte. „Ich würde sagen der ist weg. Das ist mit Sicherheit die richtige Stelle.“ Mir fiel alles aus dem Gesicht. Wie, weg? So ganz? Das Scheißding hatte sich tatsächlich aufgelöst! SIEG!

Auch als ich am Abend dann endlich wieder Nachhause durfte, konnte ich es noch gar nicht richtig fassen. Normalerweise werden vor der Chemo kleine Klammern an den Tumor gesetzt, wenn man davon ausgeht er könnte sich auflösen. Dann findet man die Überreste später besser. Das zeigt mir, dass wirklich niemand damit gerechnet hatte, dass das Alien sich komplett verpieselt. Auch das Gespräch mit dem Oberarzt über die anstehende OP beschäftigte mich noch eine Weile. Selbst wenn das Alien nun weg war, hieß das noch nicht dass auch wirklich brusterhaltend operiert werden konnte. Man müsste nach der Chemo erstmal eine Mammographie machen um zu sehen wo die ganzen Verkalkungen sitzen. Denn die müssen raus. Nicht alle Krebszellen machen Schwupps und sind einfach weg, sondern einige verkalken und werden somit zu kümmerlichen Überresten, die raus müssen. Aber die Chance darauf, meine Brust behalten zu können stieg dennoch. Er versicherte mir auch, dass man die zweite Brust dann anpassen würde. Er holte sogar ein Lineal raus und zeigt mir ab welchem Punkt die Brustwarze im Optimalfall 22 cm weg ist. Dort wird sie dann sitzen, sollten wir so operieren können. Mal wieder war mein Mund schneller als der Kopf, als mir klar wurde dass ich neue Brüste bekommen würde. „Na welche Mutter wünscht sich keine gemachten Gratistitten?“ Zum Glück war der Oberarzt recht locker drauf. Man sah ihm an dass er mit so einer Antwort nicht gerechnet hatte, lachte dann aber mit mir.

Am nächsten Tag fuhr ich dann Heim-Heim! Also in meine Wohnung. Mein Vater und seine Frau buchten schon vor einem Jahr ihren wohlverdienten Urlaub auf Sylt, den sie meiner Meinung nach auch unbedingt machen sollten. Seit über drei Monaten lebten meine Tochter und ich nun schon bei ihnen, würfelten auch ihr Leben durcheinander. Mir war klar, dass sie unbedingt mal wieder Kraft sammeln mussten und gönnte es ihnen von Herzen. So konnte ich Urlaub Zuhause machen.

Nachdem ich die Tage zuvor alles mit der Krankenkasse organisiert hatte, dass ich eine Haushaltshilfe für die 8 Tage bekomme, half mir ein lieber Freund bei meinem vorübergehenden Umzug. Es war so schön mal wieder in den eigenen vier Wänden zu sein nach so langer Zeit. Es kam mir richtig fremd vor. Manchmal kennt man das vom Urlaub. Man kommt zurück in sein Zuhause, ist aber kopfmäßig noch gar nicht so richtig da. Genauso ging es mir.

Schon am nächsten Mittag lernte ich die Unterstützung aus Kenia kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb total prima. Natürlich war es seltsam jemand fremdes in seiner Wohnung zu haben, der dann auch noch herumwuselt, sauber macht, Staub wischt, putzt, aufräumt. Aber ich wäre wirklich nicht fähig dazu gewesen. Sie war der reinste Wirbelwind, konnte gar nicht lange sitzen und wirbelte durch die ganze Wohnung, hinterließ Ordnung und Sauberkeit. Nach 3 Monaten war hier wirklich einiges eingestaubt. Zudem hatte ich meine Wohnung ja auch wirklich recht schnell durch meine Ängste verlassen und ganz bestimmt vorher nicht mehr groß aufgeräumt.

Am Wochenende kam nochmal eine andere Frau, da die Afrikanerin an den Wochenenden keine Zeit hatte. Diese war ein wenig seltsam. Kochen konnte sie gar nicht und ich habe es vorher auch noch nie erlebt, dass mein Kind einem Erwachsenen auf der Nase rum gehüpft ist. Ich war völlig perplex. Zum Glück war diese Frau nur für zwei Tage da, so dass ich mich am Montag schon wieder über den Besuch der ersten Frau freuen konnte. Ich ging nur mal kurz duschen, kam aus dem Bad ins Wohnzimmer und die Couch stand in der Mitte des Zimmers. Dahinter ein Staubsauger und eine fleißige Biene, die wirklich ÜBERALL sauber machte. Meine Wohnung war wie geleckt. Und auch meine Tochter wurde wenn nötig in die Schranken gewiesen. Ich wollte diese gute Fee gar nicht mehr hergeben und konnte mich ruhigen Gewissens hinlegen und mich ausruhen. Ich wusste einfach, sie hat alles im Griff.

An ihrem letzten Tag bei mir, den die Krankenkasse leider auch nur Leuten ermöglicht die ein Kind und niemanden haben der ihnen helfen kann, rief mich die Klinik an weil meine Blutwerte der Zwischenuntersuchung so schlecht waren. Ich solle nochmal mein Blut checken lassen ob es nun besser ist. Ich verstand den Aufriss gar nicht. Sie waren kaum schlechter als das letzte Mal. Aber gut. Die Nadeln konnten mich sowieso nicht mehr erschrecken.

Ein Tag später war meine Geburtstagsparty! Ich hatte die ganze Woche noch organisiert und geplant, Getränke geordert und mit meinen Gästen besprochen wer was mitbringt. Ich habe mich über jeden einzelnen gefreut der tatsächlich gekommen ist. Leider gab es viele Absagen da mal wieder eine Grippewelle ihr Unwesen trieb. Aber meine Chemoschwester war da, einige Verwandte aus meiner Generation, alte Freunde und neue Freunde, Zocker und Familie. Wir haben schön in unserem Hof gegrillt und hatten durch die ganzen Mitbringsel Essen in Massen. Auf Alkohol habe ich verzichtet. Ich wollte meinen Körper nicht noch mehr schwächen. Abgesehen von einem Übernachtungsgast sind die letzten irgendwann um 2 oder 3 Uhr morgens gefahren. Es war einfach eine tolle Zeit mit noch tolleren Menschen.

Direkt am nächsten Tag ging es zurück ins Haus zu meinem Vater und seiner Frau. Schließlich stand die nächste Chemo wieder an. Und da ich immer kraftloser wurde, wollte ich meine Tochter und mich versorgt wissen. Wobei die Klinik nicht sehr zuversichtlich war, ob meiner letzten Blutwerte. Es schien als würde mein Körper langsam aber sicher wirklich am Ende sein. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die letzte Chemo auch einfach weglassen können. Schließlich war das Alien nun weg und damit auch der dritte Grund, meinen 33. Geburtstag gebührend nachzufeiern. Doch leider bestanden die Ärzte darauf.

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Chemo – die Siebte! – Erkenntnisse https://www.herzwende.de/erkenntnisse/ https://www.herzwende.de/erkenntnisse/#comments Fri, 10 Jun 2016 14:29:01 +0000 http://www.herzwende.de/?p=281 Wir sollten aufhören, uns so zu treffen. Witzelte ich zu mir selbst, als meine Chemoschwester und ihr Mann mich am Morgen für die siebte Chemo abholten. Da wir ohnehin in der Nähe wohnten und das selbe Ziel hatten, bot es sich einfach an, dass wir auch diesen Weg zusammen beschritten. Oder eben fuhren. Zumindest ein letztes Mal, da es ihre neunte und damit letzte Chemo war. Wie schon die letzten Male buchten wir wieder zusammen ein Zimmer. Uns gab es nur noch im Doppelpack. Es tat so unfassbar gut, so eine Frohnatur bei sich zu haben, mit der man reden und auch schweigen konnte.

Natürlich wurde auch dieses Mal ein Ultraschall gemacht. Wenn ich bei der letzten Chemo mit dem allergischen Schock schon so leiden musste, sollte es dieses verdammte Alien erst recht! Und das tat es! Auf 1,8 x 0,9 x 0,8 cm wurde es zusammengestaucht. SPARTAAAA!

Nach dem üblichen Prozedere bekam ich das erste Mal das letzte Mittel. Angst vor einem erneuten Schock hatte ich keine, da es ja eben ein völlig anderer Wirkstoff war. Ich bekam auch keine Arznei mehr, die gegen Allergien war. Dafür gab es einen Blasenschutz, da Cyclophosphamid  dafür bekannt ist voll auf die Blase zu schlagen. Und das auch gleich über 24 Stunden. Juhu.

Der Chemotag blieb weitestgehend mein Fastentag. Da ich wusste, dass das Zeug auch auf den Magen schlagen kann, forderte auch sofort die Ärzte auf mir wieder Emend zu verabreichen. Sicher ist sicher. Und solche Qualen wie am Anfang wollte ich nicht nochmal durchleiden. Es hat die Übelkeit zwar nicht vollständig beseitigt aber es wenigstens auf ein flaues Gefühl im Magen reduziert. Da ich mittlerweile um die 10 kg abgenommen hatte, wollte ich auf keinen Fall dass mein Körper noch mehr als nötig dadurch geschwächt wird, dass ich mich wieder ständig übergeben muss und keinen Bissen herunter bekomme.
Aber ein paar Chips meiner liebsten Bettnachbarin knabberte ich trotzdem mal mit.

Am Abend blödelte ich mit den anderen in der Gruppe herum, machte ein Foto von mir und stelle lachend fest, dass ich mit meiner Glatze mittlerweile aussehe wie einer der Smilies.

Die Nacht war dagegen weniger amüsant. Ich hatte Hitzewallung wie noch nie in meinem Leben. In einem Moment dachte ich ich erfriere und im nächsten wollte ich mir allen Stoff vom Leib reißen. Und dazu dann noch die Infusion. Wenn man weiß dass da noch so eine Nadel in einem steckt, ist der Bewegungsfreiraum doch eher eingeschränkt.

Entsprechend ging es mir am nächsten Tag. Ich war hundemüde, mir war schlecht und es frustrierte mich, dass mein 33. Geburtstag morgen sowas von ins Wasser fällt. Eigentlich machte ich mir die Jahre zuvor nicht so viel aus meinen Geburtstagen. Für mich war es immer nur relevant, dass die mir wichtigsten Personen um mich sind. So richtig gefeiert hatte ich schon lange nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch gut daran, als meine Mama 33 wurde. Es waren viele Freunde in unserem Haus – mit Kindern. Wir spielten und die Eltern feierten, tranken und tanzten. Ich erinnere mich an ein eher unbekannteres Lied, bei dem es um „33 Jahre“ ging. Eine wunderschöne Schnapszahl. Und gerade jetzt, wo ich mich mit dem eigenen Lebensende auseinandersetzte, wurde mir der Beginn des Lebens auf einmal wichtiger. Ich wollte so gern mehr Leute um mich haben, die mir gut tun. Einfach eine schöne Zeit haben. Aber nein. Ich musste ja diese blöde Chemo mitmachen, wusste nicht wann und wie das Mittel wirkt. Eine Party zu planen wäre viel zu leichtsinnig gewesen.

Wie alle ätzenden Tage ging aber auch dieser rum. Ich freute mich als die Mesna-Infusion endlich durch war, ich meine Spritze bekam und endlich wieder Heim durfte. Auch wenn es für mich irgendwie schade war, freute ich mich darüber, dass meine Chemoschwester nun endlich diesen bescheidenen Abschnitt hinter sich hatte. Sie hatte es geschafft und durfte nun zur nächsten Etappe übergehen. Der Bestrahlung.

Unerwartet sah ich sie schon am nächsten Tag wieder. Im Krankenhaus hatten wir darüber gesprochen, was ich denn überhaupt noch essen konnte, wenn mir wieder so schlecht war. Ich war schon immer ein Kartoffeljunkie und die aus unserem Ort sind auch noch so verdammt lecker. So stand sie am nächsten Tag vor der Tür, strahlte mich an und schenkte mir lachend eine Schüssel voll mit frisch gekochten Kartoffeln und einer Tube Kräuterbutter. Ich war völlig baff. Sie meinte nur, dass sie so etwas noch nie zum Geburtstag verschenkt hätte, sie es aber unbedingt machen wollte.

Genauso hatte ich nicht damit gerechnet, dass es mir sogar relativ gut ging. Normalerweise war der Donnerstag immer der Tag, an dem es mir total dreckig ging. Doch da meine Zweitmama leider wieder ihre lästige Migräne hatte, konnte ich keinen großartigen Besuch empfangen. Nur meine Mama, die wollte ich unbedingt sehen. Und die kam auch. Sie brachte Kuchen mit und saß eine ganze Weile mit mir, meiner Tochter und meinem Papa zusammen. Das tröstete.

Als meine Schwester mir gratulierte und merkte wie sehr es mich traf, dass ich dieses Jahr nicht feiern konnte, bestärkte sie mich darin es nachzuholen. Sie bot mir sofort ihre Unterstützung bei der Planung und dem Aufbau an, was ich annahm. Noch am gleichen Tag legte ich ein Datum für die Party fest. 3 Tage vor der letzten Chemo sollte sie stattfinden. Das wäre dann wohl doppelter Grund zu feiern!

In den nächsten Tagen ging mein Wohlbefinden dann wieder in Richtung Keller. Mit etwa einem Tag später als unter dem Epirubicin wurde ich total schlapp, kraftlos und ungemein müde. Das Blutbild wenige Tage später bestätigte wie ich mich fühlte. Die Leukozyten lagen bei 0,9 (Normalwert 4-11) und das Hämoglobin bei 9,7 (Normalwert 12-16).

Auf einmal fingen auch so seltsame Druckgefühle an. Die linke Leistengegend fing an zu schmerzen, was ich aber meiner vielen Liegerei auf der linken Seite zuschrieb. Schließlich stand da der Monitor, an den ich meinen Bluray-Player angeschlossen hatte.
Auch knapp unter dem Brustbein spürte ich plötzlich einen Druckschmerz, den ich nicht zu rechtfertigen wusste.

Plötzlich kamen enorme Ängste in mir hoch. Mir wurde bewusst, dass viele Leute nicht an ihren Tumoren sondern an den Nebenwirkungen der Chemo starben oder eben bleibende Leiden hatten. Also tat ich das, was man eigentlich nicht tun sollte. Ich googlete. Und somit erfuhr ich zum Einen, dass Cyclophosphamid zu der Stickstoff-Senfgas-Verbindung gehört, was sich schon mal sehr beängstigend anhört und zudem krebserregend ist. Ich musste mehrfach lesen und war völlig verwirrt. Man bekämpfte also Feuer mit Feuer. Und das in der Gefahr, ein neues zu entfachen. Heilige Scheiße.

Als ich weiter las, war ich dann völlig fertig. „Weiterhin kann es nach Cyclophosphamidgabe bei Frauen und Männern zu Infertilität kommen,…“. Moment mal…

Völlig frustriert, verängstigt und auch sauer rief ich in der Klinik an und verlangte einen der Ärzte. Ich schilderte ihm als erstes das Druckgefühl im Oberbauch und forderte eine Ultraschalluntersuchung, in die er sofort einwilligte. Er wies mich darauf hin, dass der Magen angegriffen sein könnte durch die Zytostatika, wir aber auf Nummer Sicher gehen sollten. Soweit so gut. Ich war vorerst ein wenig besänftigt.
Zum Thema Feuer mit Feuer bekämpfen bestätigte er mir was ich las. Er sagte aber auch, dass die Heilung durch das Mittel wesentlich erfolgreicher ist als die Gefahr der Auslösung einer erneuten Erkrankung. Man könnte es zwar nicht ausschließen aber sowas würde in der Regel nur dann auftreten, wenn es wirklich sehr sehr hoch dosiert werden würde, was bei mir nicht der Fall sei. Trotz dosisdichter Chemo.

Blieb noch das Thema mit der Unfruchtbarkeit. Er war völlig perplex. „Hat man sie darüber nicht aufgeklärt?“. Ich überlegte. Scharf. Es kann sein, dass die Ärztin mir beim Erstgespräch die Frage nach dem Kinderwunsch gestellt hat. Nur da hatte ich ja auch noch den Freund, für den weitere Kinder kein Thema waren. Und nach so einer Diagnose ist wohl ohnehin der letzte Gedanke, dass man jetzt sofort ein Kind in die Welt setzen will. Also nein. Ich hatte wohl zu dem Zeitpunkt keinen Kinderwunsch. Hätte man mir allerdings gesagt, dass es nach einer Chemo nicht mehr oder nur bedingt möglich ist noch welche zu bekommen, hätte ich es wissen wollen! Und zwar bevor man mir dieses Teufelszeug in die Venen tröpfelt!

Der Arzt erzählte mir von einer Frau, die ich wohl auch schon bei meinen ersten Besuchen kennen lernte. Zumindest ähnelte sich die Geschichte. Sie hatte Ende 20 das erste Mal die Diagnose erhalten und war nun zum zweiten Mal in Behandlung. Sie hatte beim ersten Mal ebenfalls die ETC Variante. Und nach nur 2 Jahren wurde sie schwanger und brachte ein gesundes Kind zur Welt. Er sagte ich wäre ja noch jung und es wäre alles offen. Es sei gut möglich, dass mein Körper sich wieder erholen würde und einer weiteren Schwangerschaft dann nichts mehr im Weg stehen würde.
Er erzählte mir auch, was man vorab alles hätte machen können, um die Chancen zu erhöhen, versprach mir auch, dass wir uns das nächste Mal wenn ich in der Klinik bin gern nochmal ausführlich unterhalten würden. Um meine Chancen zu vergünstigen, wäre es aber wohl nun ohnehin schon zu spät.

Ich war fix und alle. Natürlich hatte ich keinen akuten Kinderwunsch. Mit wem auch? Aber ich fand es immer schön, die Möglichkeit zu haben. Und insgeheim habe ich mir oft gewünscht, dass meine Tochter vielleicht irgendwann doch noch ein Geschwisterchen bekommt. Und dass ich das alles nochmal mit einem Mann an meiner Seite erleben dürfte. Die alleinerziehende Version kannte ich ja nur zu gut.

Nicht nur dass dieser Wunsch vor meinen Augen zerplatzte wie eine Seifenblase, zerbrach noch ein weiteres Stück in mir. Das Stück der Weiblichkeit. Eine Brust in der ein Alien wohnte und es immer noch unklar war, ob ich sie behalten konnte, die fehlenden Haare und dann auch noch das. Es mag altmodisch klingen aber ich hatte das Gefühl dass mir damit alles an Weiblichkeit genommen wurde, fühlte mich unvollständig und unnütz.

Die nächsten Tage zog ich mich zurück, weinte viel und versuchte irgendeinen Weg für mich zu finden damit klar zu kommen. Diese scheiß Krankheit kostete mich mehr als ich anfangs dachte und mir wurde klar, dass es nie wieder so werden würde wie vor der Diagnose.

Nie mehr.

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Chemo – die Sechste! – Erste Komplikationen https://www.herzwende.de/chemo-die-sechste-erste-komplikationen/ https://www.herzwende.de/chemo-die-sechste-erste-komplikationen/#comments Tue, 08 Mar 2016 09:16:32 +0000 http://www.herzwende.de/?p=274 „Wir nehmen dann ein Doppelzimmer.“ erklärte ich fröhlich der Schwester, die die Zimmer einteilte. Ich fand es irgendwie tröstlich, meinen Krankenhausaufenthalt ein wenig wie einen Hotelurlaub zu händeln. Unten an der Annahme checkte ich ein, oben bestellte ich mir ein Zimmer und freute mich, wenn ich eins mit einer Toilette direkt im Zimmer bekam und nicht eines, bei dem ich immer erst auf den Flur musste. Der Service war auch nicht übel.

Meine Chemoschwester und ich freuten uns, dass wir wieder zusammen liegen durften und bezogen unsere Zimmer, brachten das übliche Blutabnehmen hinter uns und schwätzten uns ein. Es tat so gut, jemanden wie sie in dieser Zeit bei mir zu haben. Man hatte das Gefühl, sie verbreitete überall gute Laune. Sie konnte sich die kleinsten Details merken, die die Schwestern über ihr Privatleben erzählten und fragte jedes Mal, wie es bei der Tochter im Studium läuft oder ob der Sohn denn nun eine Ausbildungsstelle gefunden hatte und so weiter. Und das auf eine total liebe Art, dass man sie einfach nur knuddeln möchte.

Kurz vor 12 ging es dann wieder mit dem Paclitaxel los. Wie immer fielen mir pünktlich zum Zytostatika die Augen zu. Doch irgendwas war anders. Ich wachte mittendrin auf, hustete und merkte dass mein Asthma einsetzte. Als nächstes breitete sich ein heftiger, stechender Schmerz in meinem unteren Rücken aus. Was zur Hölle ist das?!  Ich versuchte irgendwie an den Klingelknopf zu kommen, denn ich merkte genau, dass hier irgendetwas mal so gar nicht stimmt. Doch die Schmerzen erlaubten nicht die kleinste Bewegung. Ich schielte nach rechts, zu meiner Chemoschwester, die seelenruhig schlief. Kein Wort bekam ich raus. Wenige Minuten später, als ich schon richtig Mühe hatte zu atmen, ging die Tür auf und die Musiktherapeutin kam rein, sah mich an und fragte mich ob alles in Ordnung sei. Ich schüttelte den mittlerweile hochroten Kopf. Himmel! Wenigstens das funktionierte noch. Alarmiert hakte sie nach, ob sie jemanden holen solle. Ich nickte mit Tränen in den Augen. Ich hatte eine scheiß Angst!

Plötzlich hörte man Trubel im Flur und eine Horde von Ärzten und Schwestern stürmten unser Zimmer. Der erste Griff ging an die Infusionsklemme, die das Chemomittel daran hinderte, weiter in meinen Körper zu dringen und diese verdammt unlustigen Sachen mit ihm anzustellen. Kurz darauf konnte ich wieder atmen und auch die Schmerzen verflüchtigten sich dorthin, wo sie hergekommen sind. Als ich endlich wieder sprechen konnte, kullerten mir auch schon die Tränen die Wangen hinab. Das war ein Schock. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Ärzte stellten fest, dass ich einen allergischen Schock hatte. Scheinbar hat das Zeug, das sie mir vorher immer verabreichten und mich immer so müde machte, nicht mehr richtig gewirkt.

Nachdem ich mehreren Ärzten nochmal ausführlich schilderte was genau passiert ist, verpasste man mir nochmal eine ordentliche Packung Kochsalzlösung und mehr von dem Mittel gegen Allergien. Ein Beruhigungsmittel lehnte ich ab, dafür begrüßte ich die Idee, den Rest des Paclitaxel nun langsamer, über einen längeren Zeitraum in mich tröpfeln zu lassen.
Die Ärzte erkundigten sich sogar in der hauseigenen Apotheke, ob die Giftmischer diesmal etwas anders gemacht hätten, einen neuen Lieferanten hatten oder ähnliches, da ich an dem Tag schon der zweite Fall mit so einem Anfall war. Aber das sollte nicht der Grund sein.
„Tja, das ist Chemo!“ war wohl der blödeste Kommentar, den mir eine der Ärztinnen an den Kopf geknallt hat, auf meine Nachfrage hin, wo das denn so plötzlich herkam. Wär mir fast nicht aufgefallen, liebe Frau Doktor… danke, dass sie es nochmal gesagt haben!

Meine Bettnachbarin war total perplex. Sie hatte ebenfalls geschlafen und ist durch den Trubel im Zimmer aufgewacht. Man merkte, dass sie sich selbst Vorwürfe machte, weil sie nichts mitbekommen hat. Die gute Seele.

Um 20 Uhr war dann auch endlich die sechste Chemo verabreicht und gute 2 1/2 Stunden später war dann auch der Nachlauf endlich drin. Wie immer war ich danach putzmunter und fühlte mich rein körperlich als wäre das eine ganz normale Chemo gewesen.

Normal. Ja, mittlerweile gewöhnte ich mich irgendwie daran. Am Anfang machte mir das alles noch so viel Angst. Das beste was ich machen konnte, war der Frisörtermin. Ich wollte ja eigentlich keine kurzen Haare mehr. Sie mir abzuschneiden war ein Eingestehen meiner Situation, dass es unabwendbar ist und ich da irgendwie durch muss. Es wappnete mich, wie wenn ein Kämpfer kurz vor der Schlacht nach seinem Schild greift. Man weiß „Jetzt geht es los!“ und man hat sich vorbereitet. Was auch immer da kommen mag. Nun steckte ich mittendrin in der Schlacht, war es gewohnt alle zwei Wochen erneut aufs Feld zu gehen und mein Schwert zu zücken. Und jetzt sogar mit Schildschwester.

Am nächsten Tag holten mich Freunde meines Vaters und seiner Frau ab. Ich wollte auf keinen Fall bis 20 Uhr in der Klinik bleiben. Eigentlich war das so geplant, da meine Chemoschwester eine 24-Stunden-Infusion bekam und ich sie nicht alleine lassen wollte. Aber bis 20 Uhr? Freiwillig? Niemals! Ich wollte wie so oft einfach nur noch weg, auschecken. Also ließ ich mich von zwei lieben Menschen abholen.

Am Abend spielte ein guter Freund und mit größter Spaßvogel meiner WhatsApp-Gruppe Chauffeur, damit ich mir meine Spritze abholen konnte. Mit ihm ist es einfach immer lustig. Eine überaus willkommene Abwechslung. Das war auch das Essen gehen, das wir anschließend beim Griechen umsetzten. Wir saßen noch zusammen mit einem Freund von ihm auf der Terrasse, bis sich an diesem warmen Sommertag die Sonne verabschiedete und ich mein riesengroßes Eis verputzt hatte.

Der Tag danach war mal wieder besonders schmerzhaft. Von Mal zu Mal taten mir die Knochen immer mehr weh, unklar ob von der Spritze oder dem Taxol. Glücklicherweise konnte ich viel schlafen, wobei jede kleinste Bewegung auch im Schlaf weh tat. Und das im ganzen Körper.

Wieder einmal versuchte ich Treppen zu meiden, hielt mich vorsichtshalber wie eine alte Frau auf wackeligen Beinen an dem Geländer fest, da mir immer mal wieder die Beine einfach einknickten. Vor allem die Knie schmerzten ständig. Der Schlaf kam viel zu kurz, so dass ich mir dann doch nachts Schmerzmittel verabreichte. Wenigstens ein wenig eindämmen um immerhin ansatzweise durchschlafen zu können.

Etwa eine Woche später ging es mir wieder relativ gut. Ich traute mich  Auto zu fahren und mit meiner Tochter eine kleine Shoppingtour mit anschließendem Fast Food Stop zu machen. Abgesehen von den fehlenden Haaren und den neugierigen Blicken war es fast wie früher.

Mich störte es nicht, dass die Leute schauten. Am Anfang war es bisschen seltsam. Man steht da beim Bäcker und fragt sich, warum der Kerl da drüben einen so angafft. Bis einem einfällt, dass man ja so eine typische Chemomütze oder -tuch trägt, die Augenbrauen immer dünner werden und die Wimpern quasi nicht mehr existent sind. Dazu die immer ausgeprägteren Augenringe. Natürlich sah man mir an, dass ich Krebs habe. Dann aber straffte ich die Schultern, schenkte ihm ein Lächeln und dachte mir „Ja, ich habe Krebs. Ja, in meinem jungen Alter. Und ja, ich werde ihm in den Arsch treten!“.

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